Nur
in einem gesunden Körper steckt ein gesunder Geist - das ist einer
der vielen bürgerlichen Sinnsprüche. Er findet sich überall,
auch an den Universitäten, etwa in Münsters Erstsemester-Zeitung,
in den Erstsemesterinfos der Hochschule in Darmstadt oder der TU Berlin.
Der Spruch wirbt für dort jeweils für den Uni-Sport und möchte
Wege zeigen, Zitat „easy und effektiv“ durch das Studium zu gelangen.
Der Umkehrschluss des Spruches lautet: In einem nicht völlig gesunden Körper wohnt ein kranker Geist. Dieses Gegensatzpaar krank-gesund verweist auf die Herkunft aus der Körperkulturbewegung aus der Frühphase der Industrialisierung. Es ging um die Schaffung von „Vorbilder[n] an preußischer Tugend, preußischer Zucht und Ordnung in Schule, Fabrik und Armee im Sinne eines starken militärisch-hierarchischen Preussentums“,* es ging auch um die Schaffung von Leitbildern, die später auch die Mobilisierung für Kriege und insbesondere auch für die nationalsozialistische Vernichtungspolitik und ihre Kampagne gegen das sogenannte ‚unwerte Leben‘ prägte. Diese Denke prägt uns noch heute. Dass dieser Zusammenhang von Krankheit und eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit konstruiert ist, schimmert allerdings nur selten durch. Heinrich Heine hatte wahrscheinlich Multiple Sklerose. Über Goethe gibt es ein ganzes Buch, das das Pathologische bei ihm untersucht, Mozart litt am Tourette-Syndrom. Außerdem, mit den Worten des Arztes und Schriftstellers Gottfried Benn: „Es litten an ausgesprochener klinischer Schizophrenie: Newton, Lenz, Hölderlin, Strindberg, […] Viele körperliche Mißbildungen: Mozart hatte verkrüppelte […] Ohren, Toulouse-Lautrec von Kindheit an gelähmt, […] der [hatte] einen Wasserkopf, jener einen […] kriminellen Oberkiefer, der eine tierische fliehende Stirn, der idiotische Kinder […]: gibt es überhaupt ein gesundes Genie?“*
Obwohl Behinderte besonders darauf angewiesen sind, eine möglichst hohe Bildung zu erhalten, sind sie überdurchschnittlich häufig von höherer Bildung ausgeschlossen. Die Minderrepräsentanz von Behinderten und chronisch Kranken im Studium setzt sich in der Promotionsphase fort und verstärkt sich. Diese Minderrepräsentanz Behinderter kann nicht auf geistige Leistungseinschränkungen zurückgeführt werden, sondern ist ein Hinweis auf strukturelle Behinderungen, die die Betroffenen in ihrem Bildungsgang erfahren und die als Diskriminierung Behinderter angesehen werden können. mehr Stefan
Matysiak: Promotion und Behinderung.
In: Claudia Koepernik, Johannes Moes, Sandra Tiefel (Hrsg.): GEW-Handbuch Promovieren mit Perspektive. Ein Ratgeber von und für DoktorandInnen. Bertelsmann Verlag Bielefeld, S. 103-110. Für Behinderte bleibt Hochschulabschluss oft nur ein Wunschtraum Unüberwindbare Barrieren im Universitätsalltag Wiesbaden (epd). Schwerbehinderte
in Deutschland haben eine deutlich geringere
Noch deutlicher wird die
Diskrepanz, wenn man die Altersklasse der 30- bis
Die Nachteile verschärfen
sich mit der Höhe des akademischen Abschlusses.
Diese Zahlen zeigten, wie
schwierig es für Behinderte ist, gleiche Chancen zu
Wie rückständig Deutschland in dieser Frage sei, zeigten die USA. Dort existierten bereits seit den 70er Jahren Programme, die Behinderten durch Unterstützungen von der Wohnungssuche bis zur Bibliotheksassistenz gleiche Lebenschancen ermöglichen sollen. [...] Stefan
Matysiak, epd sozial Nr. 19/13.05.2005
Überforderung durch neue Studiengänge: Druck auf behinderte Studenten wächst Wer mit einem Handicap lebt, hat es schwerer. Wenn nun die Anforderungen derart steigen, dass selbst der Durchschnittsstudent leicht aus dem Tritt gerät, fallen Menschen mit besonderen Bedürfnissen schnell durchs Raster. Wenn Kirsten Lohhausen (Name geändert) an ihr Studium denkt, bekommt sie Schweißperlen auf der Stirn. «Ich ackere an den Grenzen meiner Kräfte», sagt die 23-Jährige. Wie Lohhausen geht es zwar vielen Hochschülern, doch die Soziologiestudentin hat es doppelt schwer. Sie leidet unter chronischen Migräneattacken, die sie regelmäßig tagelang außer Gefecht setzen. «Mit so einer Erkrankung ist es schwer, den Anforderungen der Universität zu genügen.» Behinderte und chronisch Kranke kämpfen an den Hochschulen an mehreren Fronten. Sie müssen nicht nur das Studium meistern, sondern zusätzlich ihre behinderungsbedingten Alltagsprobleme. Medizinische Rehabilitation oder therapeutische Behandlungen gehen zu Lasten von Seminaren und Vorlesungen. Zudem sind längst nicht alle Universitäten durchweg behindertengerecht ausgestattet. Diese Mehrfachbelastungen führten oft dazu, dass Behinderte ihr Studium abbrechen, sagt Andy Bittner von der Berliner Initiative gebärdensprachiger StudentInnen. Wieder deutliche Rückschritte in der Praxis Zwar sei die akademische Ausbildung von den rechtlichen Grundlagen her immer behindertenfreundlicher geworden, berichtet Birgit Rothenberg vom Dortmunder Zentrum Behinderung und Studium. Doch in der Praxis seien jüngst wieder deutliche Rückschritte zu verzeichnen. Der Grund: An den Hochschulen wurden die alten Diplom- und Magisterstudiengänge durch die neuen Abschlüsse Bachelor und Master ersetzt. «Die Chancen für Behinderte sind seither wieder deutlich gesunken», urteilt Rothenberg. mehr
Argumente zur Durchsetzung eines Nachteilsausgleichs für Schwerbehinderte und chronisch Kranke in der Promotionsförderung In der Studienförderung bekommen Mütter, schwerbehinderte und chronisch kranke Studierende einen Nachteilsausgleich in Form von längeren Förderungsdauern und zusätzlichen Sachleistungen. In der Promotionsförderung bekommen diesen Nachteilsausgleich zwar Mütter mit Kindern unter 12 Jahren, nicht jedoch Schwerbehinderte und chronisch Kranke. Wir AutorInnen halten diese Förderpraxis der Hans-Böckler-Stiftung (und anderer Förderwerke), die auf Vorgaben des Bundeswissenschaftsministeriums zurück geht, für eine verfassungswidrige Diskriminierung. Diese Benachteiligung gilt es abzubauen. mehr Stefan
Matysiak/Holger Brecht/Karin Gille-Linne (Arbeitsgruppe der PK 2001 der
Hans-Böckler-Stiftung), http://www.matymedia.de/Schwerbehindert.html
Gleichstellung Behinderter bei Promotionsstipendien Verband sieht Bund in der Pflicht Berlin (epd). Behinderte
und chronisch Kranke sollen dieselben Chancen auf
Die Initiative verweist
zur Begründung auf die niedrigen Promotionszahlen von
Das BMBF gewährt Förderwerken
wie zum Beispiel der Hans-Böckler-Stiftung
Die pi erwartet zur Gleichstellung
von Behinderten, dass Betroffene bei der
Stefan
Matysiak, epd sozial Nr. 41/8.10.2004
Zusätzliche Nebenbestimmungen zur Förderung begabter Studierender sowie begabter Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler in der Fassung vom Juli 2009 IV.3
II.3.1
Bayerische Behindertenbeauftragte: »Gebühren erschweren Zugang zur Universität« München (epd). Die
Einführung von Studiengebühren wird den Zugang
Die Behindertenbeauftragte
forderte deshalb ihre Landesregierung auf, den
Nach einer EU-Erhebung sind
in Deutschland knapp 20 Prozent der Menschen im studierfähigen Alter
körperlich oder seelisch beeinträchtigt, der Anteil
Stefan
Matysiak, epd sozial Nr. 5/4.2.2005
Behinderte Studenten - Studentenwerk für Verzicht auf Gebühren Berlin (epd). Das Deutsche
Studentenwerk (DSW) hat die Bundesländer und
Der Verzicht von Studiengebühren
soll als Nachteilsausgleich die Teilhabe
Stefan
Matysiak, epd sozial Nr. 33/18.8.2006
Anm.: aok Leipzig (2003): Fünf Ringe für ein Halleluja? Eine kritische Betrachtung der bürgerlichen Sportideologie und ihrer Bühne: Den Olympischen Spiele, http://web.archive.org/web/20041024023415/nein-zu-olympia.de/html/texte/pdf/text1.pdf. Zit. n. Jürgen
Court (2002): "Mens sana in corpore sano" – Was leistet der Schulsport?
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung der Universität Erfurt (Langversion)
"Herausforderungen der Bildungsgesellschaft", 9. 7. 2002, Erfurt, http://web.archive.org/web/20040312101456/www.uni-erfurt.de/archiv/2002/0037/court_l.pdf.
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. Matysiak, Stefan Matysiak