Einleitung
Die Geschichtsschreibung zur Entwicklung der DDR litt bislang, was die quantitative Darstellung der Pressestrukturen betrifft, unter einer ungenügenden Datenlage. Der Grund: Bereits im September 1951 hatte der SED-Parteibetrieb für Druckereien und Verlage, die Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft mbH (Zentrag), seine zugehörigen Unternehmen angewiesen, keine Auflagen mehr bekannt zu geben. Regelmäßige Daten zur Verbreitung der ostdeutschen Tagespresse wurden seither nicht mehr veröffentlicht, womit eine "Zeitungsstatistik, die der Öffentlichkeit zugänglich war, [...] in der Deutschen Demokratischen Republik im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht betrieben worden zu sein" schien. Deshalb blieben die Informationen über die ostdeutsche Presseentwicklung insgesamt unzureichend bzw. galt für westdeutsche Forscher als "ein besonderes Problem bei der Analyse des Pressewesens die unvollständigen, ungesicherten und unüberprüfbaren Auflagenzahlen". Dieser Mangel betrifft selbst die Zeit vor dem Mauerbau mit einer für Informationen noch durchlässigeren Grenze. Dieselben Informationsdefizite trafen auch für jene Angaben zu, die die verlegerisch-redaktionelle Struktur der Presse erhellen konnten, etwa Daten zur Zahl der Zeitungsausgaben. Eine Sichtung neuer Quellen kann bei der Klärung folgender Fragen helfen: Welche Auflagen erreichten die Tageszeitungen der DDR? Inwiefern entstanden bei der Auflagenentwicklung Unterschiede zwischen den einzelnen DDR-Parteien? Welche Strukturunterschiede wiesen die Zeitungsgruppen der DDR-Parteien auf? Die Antworten auf diese Fragen sind geeignet, vorhandene Aussagen zur Pressegeschichte der DDR quantitativ zu untermauern. Der pressestatistische Überblick über die Auflagenentwicklung und die Entwicklung der verlegerischen Strukturen (Tabelle 1) zeigt für die Jahre von 1953 bis zum Ende der DDR eine leicht abnehmende aber insgesamt weitgehend stabile Zahl publizistischer Einheiten und Zeitungsausgaben. Dagegen stiegen die Zeitungsauflagen im selben Zeitraum kontinuierlich an und hatten sich schließlich am Ende der DDR beinahe verdoppelt. Für die Zeit zwischen 1948 und 1953, als sich die Presse im Anschluss an ihre Entstehungsphase konsolidierte, ist dagegen eine gegenläufige Tendenz festzustellen: Die Auflagen sanken, die Zahl der Zentralredaktionen und vor allem der Zeitungsausgaben stieg. Tabelle 1: Tagespresse der DDR 1953-1983: Statistik im Überblick
Ein Vergleich der pressestatistischen Eckdaten beider deutscher Staaten (Tabelle 2) zeigt dabei einerseits die in der ostdeutschen Staatswirtschaft und ihrem gelenkten Mediensystem deutlich stabilere Medienstruktur: Die Kenndaten "publizistische Einheiten" und "Auflagen" veränderten sich von den 1950 bis zu den späten 1980er Jahren in der DDR deutlich weniger als in der Bundesrepublik (Daten hier nach Schütz 2005: 206), vor allem, da die im Westen durch marktwirtschaftliche Prozesse ausgelöste Pressekonzentration im Osten Deutschlands nicht stattfand, bzw. nicht stattfinden konnte. Tabelle 2: Vergleich pressestatistischer Eckdaten BRD/DDR (Index: 1953/54 = 100)
Im Bereich der Auflagen zeigt sich zugleich bereits Anfang der 1950er Jahre die in der DDR anders als in der Bundesrepublik offensichtlich politisch wichtige Funktion der Presse als Instrumente der sozialistischen Mobilisierung und des Machterhalts, die zur staatlichen Förderung einer größeren Verbreitung von Tageszeitungen führte. Zwar haben Medien auch in Demokratien westlichen Formats eine wichtige politische Funktion, die im Osten höheren Auflagen belegen aber, dass die DDR-Staatsführung ihr Augenmerk intensiver auf die Presse richtete, da diese "das entscheidende Feld von Argumentations- und Erfahrungsvermittlung in gesamtgesellschaftlichem Maßstab" war. Diese größere Verbreitung von Zeitungen hielt sich bis Ende der 1980er Jahre: Quantitativ konnte der Osten den Westen deutlich überholen. Entwicklung
der ökonomisch-redaktionellen Strukturen
Die führende Rolle
der SED war im Bereich der Presse bereits 1945 entstanden, als die Vorgängerpartei
KPD von der Sowjetischen Besatzungsmacht (SMAD) im Bereich der Medien massiv
gefördert wurde. 1947 gab die SED für ihre damals zehn Tageszeitungen
mindestens 77 Regionalausgaben heraus und war damit in den einzelnen ostdeutschen
Ländern anders als die Blockparteien CDU und LDPD bereits weitgehend
bis hinunter zur Kreisebene publizistisch vertreten. Als 1952 in der DDR
anstelle der Länder Bezirke gebildet und zugleich die Zahl der Landkreise
von 132 auf 217 vergrößert wurde, passte die SED-Presse ihre
Strukturen an die neuen territorialen Gegebenheiten an: Seit Mitte 1953
kam es zur flächendeckenden Einrichtung von neuen Kreisseiten bzw.
Kreisausgaben.
Die 1946 mit der Vereinigung
von SPD und KPD gegründeten SED-Regionalzeitungen, die damals entweder
für ein ganzes Land (etwa die Landes-Zeitung, Schwerin; Märkische
Volksstimme, Potsdam) oder für einzelne Regionen (etwa die Lausitzer
Rundschau aus Görlitz für die Lausitz oder die Freie Presse
aus Plauen für das Vogtland) erschienen, wurden nach der Abschaffung
der Länder in 14, für jeweils einen einzigen Bezirk zuständige
Blätter umgewandelt, wobei abweichend von der Regionalstruktur bis
in die späten 1950er Jahre im Bezirk Karl-Marx-Stadt/Chemnitz mit
der Chemnitzer Volksstimme und der Zwickauer Freien Presse
zwei Zeitungen erhalten blieben. Aus den im Jahr 1948 insgesamt 111 Zeitungsausgaben
regionaler SED-Zeitungen wurden so bis 1953 218 ‚sozialistische Heimatzeitungen’;
hinzu kam die lokale Berliner Zeitung und das Boulevardblatt BZ
am Abend sowie der Vorwärts/Berliner Volksblatt
als Berliner Lokalausgabe des Neuen Deutschlands – eine Gesamtzahl,
die im wesentlichen bis zum Ende der DDR erhalten blieb (Tabelle 3).
Tabelle 3: Zahl der Publizistischen
Einheiten (PE) sowie ihrer Bezirks- bzw. Lokalausgaben (Ausgaben von Bezirkszeitungen,
inklusive regionaler Nebenausgaben der Zentralorgane) nach Parteien
Solche Ausnahmen von der
Regel, dass pro Kreis nur eine Lokalausgabe gegründet werden sollte,
schienen dann vorgekommen zu sein, wenn einzelne stark wachsende kommunale
Gemeinwesen eine einem Stadt- oder Landkreis entsprechende Bedeutung bekamen
und auf eine große Zahl von örtlichen Neubürgern integrierend
gewirkt werden sollte. Die Zahl der lokalen Zeitungsausgaben entwickelte
sich jedoch insgesamt weitgehend analog zum Kreisgebietsstand. Zu Abnahmen
der Zahl der Ausgaben kam es deshalb nur wenn Kreisgebietsreformen erfolgt
waren, etwa in Puttbus und Bergen, die zur Ausgabe Rügen der Ostsee-Zeitung
zusammengeschlossen wurden sowie bei der Einstellung der Kreisausgabe Tangerhütte
der
Volksstimme.
Anders als bei der SED wurden
die auf die Landkreise gerichteten lokalen Verlagsaktivitäten der
Blockparteien CDU, LDPD und NDPD bislang von der westdeutschen Pressegeschichtsschreibung
nicht weiter zur Kenntnis genommen. Für die Jahre 1945 bis 1947 mussten
die Zeitungen von LDPD und CDU "der Arbeiterpresse praktisch das Monopol
der Lokalberichterstattung überlassen mußten. Diese nämlich
konnte bald dazu übergehen, sog. Kreisseiten zu drucken, auf denen
u.a. die für die Bevölkerung lebenswichtigen Mitteilungen über
Lebensmittelzuteilungen und behördliche Anordnungen bekanntgegeben
wurden." Diese für die erste Phase der sowjetischen Besatzung weitgehend
richtige Aussage wurde von der Forschung auch auf die spätere DDR
übertragen. So waren nach Geserick die Blockparteizeitungen "stets
nur mit Bezirksausgaben, nicht aber mit Kreisseiten in Erscheinung getreten",
setzten die Blockparteizeitungen nach Schneider "lediglich in den Bezirksstädten
[…] gewisse lokale Schwerpunkte ihrer Berichterstattung" bzw. hatten die
Blockparteizeitungen nach Meyen "nur in den großen Städten eine
Lokalseite".
Tabelle 3 zeigt jedoch bereits
für den Beginn der 1950er Jahre eine Summe von Blockpartei-Lokalausgaben,
die an Zahl die 14 Bezirkshauptstädte deutlich übersteigt. Zwar
gaben die Parteien tatsächlich in den Bezirksstädten Zeitungsausgaben
heraus, daneben bestanden aber bereits 1953 zusätzlich auch Ausgaben
in kleineren Städten bzw. Landkreisen, etwa die Ausgabe Zeitz des
Neuen
Weges (CDU), Halberstadt der Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten
oder Eisenach der Thüringer Neuesten Nachrichten (beide NDPD).
Die Entwicklung dieser lokalen
Presseaktivitäten verlief jedoch bei den Parteien NDPD, CDU und LDPD
uneinheitlich. Insbesondere die LDPD zeigte in einer größeren
Zahl ostdeutscher Landkreise Präsenz mit eigenen Zeitungen. Von Anfang
bis Ende der 1950er Jahre stieg die Zahl ihrer Ausgaben von 20 auf 26 (Tabelle
3). Obwohl die Partei anders als CDU und NDPD neben dem Zentralorgan lediglich
über vier Landeszeitungen verfügte, bot sie die meisten lokalen
bzw. regionalen Ausgaben an. Die Liberal-Demokratische Zeitung in
Sachsen-Anhalt gab beispielsweise acht Kreisausgaben heraus, die nominell
jeweils zwischen zwei und zehn Kreise umfassten.
Auch die NDPD, deren Presse
bei der lokalen Differenzierung 1956 mit 24 Ausgaben einen Höhepunkt
erlebte, etablierte abseits der Bezirksstädte eine Vielzahl von lokalen
Ausgaben. Entsprechende Tageszeitungen mit regelmäßiger lokaler
Berichterstattung erschienen so neben Halberstadt und Eisenach auch in
Weimar, Brandenburg/Havel, Bautzen und Dessau.
Die CDU orientierte sich
mit ihren Zeitungen dagegen wenig in ländliche Regionen. In den links
der Neiße gelegenen, nach 1945 zu Sachsen gekommenen Teilen der ehemaligen
preußischen Provinz Schlesien gab die Christenunion eine eigene Ausgabe
Görlitz/Oberlausitz der Dresdner
Union heraus. Daneben brachten
nur der Neue Weg für Zeitz und das
Thüringer Tageblatt
für die beiden katholischen Eichsfeldkreise Worbis und Heiligenstadt
im kleinstädtisch-ländlichen Raum besondere christdemokratische
Lokalausgaben hervor. Der lokale Schwerpunkt der CDU-Presse lag in den
Bezirkshauptstädten sowie der alten thüringischen Landeshauptstadt
Weimar. Die Lokalberichterstattung dieser Kreis- oder Stadtausgaben konzentrierte
sich dabei im Wesentlichen auf jene Stadt, in der die Redaktionen ihren
Sitz hatte, selbst wenn eine solche Ausgabe nominell für zwei oder
drei Landkreise gedacht war.
Auch wenn die insbesondere
bei NDPD und CDU weitgehend gleich bleibende Zahl von Ausgaben (Tabelle
3) eine gewissen verlegerische Stabilität nahe legt, zeigt eine genauere
Betrachtung insbesondere der 1950er Jahre vielfältige – allerdings
vom staatlichen Presseamt kontrollierte bzw. beschränkte (vgl. Holzweißig
1991) – Gründungs- und Schließungsaktivitäten, in deren
Folge die Blockparteiverlage in als lohnend erscheinenden Städten
neue Zeitungsausgaben installierten. So stieg bei der LDPD die Zahl der
Zeitungsausgaben von 22 im Jahr 1956 um ein knappes Viertel auf 27 drei
Jahre später.
Bei ihren Gründungsaktivitäten
waren die Blockparteien jedoch strukturell benachteiligt. Denn da die dominierenden
SED-Bezirkszeitungen bereits früh Kreisausgaben hatten gründen
können, verringerten sich für die Verlage von CDU, LDPD und NDPD
die Erfolgschancen: Indem sie lediglich als Zweitanbieter starten konnten,
war der Absatz ihrer Neugründungen behindert, was immer wieder zu
einer Leserresonanz führte, die von den Blockparteiverlagen als zu
gering erachtet wurde, um den finanziellen Aufwand längerfristig zu
rechtfertigen.
Die Folge war, dass viele
Gründungsversuche nach mehr oder weniger kurzer Testphase wieder abgebrochen
wurden. So hatte sich das christdemokratische
Thüringer Tageblatt
bis zum Jahr 1952 fünf Ausgaben für Stadt und Kreis Erfurt, für
das Eichsfeld, für Eisenach und Bad Salzungen, für Stadt und
Kreis Weimar sowie eine Landausgabe für die übrigen thüringischen
Landkreise zugelegt. Bis 1954 wurde ergänzend eine Kreisausgabe für
Sömmerda gegründet, die Eisenacher Zeitung hingegen schon wieder
geschlossen. 1961 war nach der Ausgabe Eisenach auch die Ausgabe Sömmerda
wieder eingestellt. Auch der ebenfalls christdemokratische
Neue Weg
aus
Halle, der seit Ende der 1940er Jahre Ausgaben in Magdeburg und Zeitz herausgab,
mühte sich um Neugründungen, so in Dessau und Wernigerode (vgl.
CDU-Vorstand Landesverband Sachsen-Anhalt 1950) sowie in Wittenberg. Diese
Pläne wurden allerdings aus unbekannten Gründen nicht realisiert.
Auch bei der NDPD kam es
zu vielfältigen verlegerischen Aktivitäten zur Etablierung von
neuen Zeitungsausgaben. Die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten
starteten so 1951 mit drei Lokalausgaben für Cottbus, den Kreis Potsdam
und die Stadt Potsdam, 1952 kamen Ausgaben für die Stadt Brandenburg
(Havel) und Frankfurt/Oder hinzu. Da die Ausgaben Frankfurt und Cottbus
offenbar nicht die erwünschte Nachfrage verzeichnen konnten, wurden
sie geschlossen, und der Verlag konzentrierte sich allein auf Lokalausgaben
für Potsdam und Brandenburg (Havel). Im Bereich Plauen/Zwickau erschien
zeitweise eine Ausgabe der Sächsischen Neuesten Nachrichten,
die gleich zwei Mal (1953 und 1956) gegründet und jeweils wenig später
wieder eingestellt wurde. Hintergrund dieser Aktivitäten waren die
Versuche, einerseits mit Parteizeitungen den Zulauf zur Partei zu vergrößern,
andererseits über den Verkauf von Zeitungen für die Partei aber
auch Finanzquellen zu erschließen, so der langjährige NDPD-Sekretär
für Agitation, Günter Hartmann: "Wir haben immer versucht, mit
Hilfe unserer Zeitungen Mitglieder für die Partei zu gewinnen." Gab
es in einer Region günstige Prognosen für die Mitgliederwerbung,
"wurden zur Unterstützung Zeitungen gegründet und auch wieder
eingestellt". Eine hohe lokale Auflage sollte der Parteikasse zugleich
möglichst hohe Einnahmen sichern. "Und so haben wir also auch im Interesse
der Auflagenhöhe in mitgliederstarken Verbänden der Partei einen
Lokalredakteur gehabt und solche Austauschseiten." Dabei mussten die Zeitungsausgaben
ihre Rentabilität nachweisen. Zeitungsschließungen kamen dann
vor, wenn "es sich nicht lohnte, weil es finanziell problematisch war"
und die Zeitungen ein Zuschussgeschäft geworden waren. "Dann waren
wir gezwungen, aus solchen Gründen die Zeitungen zu schließen."
Wie nicht anders zu erwarten,
bestätigen die Daten zur Verlagsstruktur insgesamt die Dominanz der
SED-Presse, sie zeigen jedoch auch, dass die Möglichkeiten lokaler
verlegerischer Tätigkeit für die Blockparteien größer
waren als bislang vermutet: "Die Blockparteien hatten größere
Spielräume als sie sie auszunutzen verstanden. Oder gewillt waren,
sie überhaupt auszunutzen. Das hat sich in der Presse widergespiegelt."
Eine Folge der bislang fehlenden
Daten zur DDR-Tagespresse war insbesondere, dass diachron keine Zeitreihen
gebildet werden konnten und dass synchron kein Vergleich der einzelnen
Ost-Parteien möglich war. Eine Analyse des Datenmaterials aus dem
Presseamt zeigt nun, dass insgesamt alle Parteien und Massenorganisationen
mit Ausnahme der Bauernpartei DBD über das vier Jahrzehnte währende
Leben der DDR hinweg eine positive Auflagenentwicklung verzeichnen konnten
(Tabelle 4).
Tabelle 4: Entwicklung
der Auflagen der Tagespresse (absolut; in 1000) nach Parteien bzw. Massenorganisationen
Allerdings unterschied sich
das Ausmaß des Auflagenwachstums zwischen den einzelnen Parteien
und Massenorganisationen stark (Tabelle 5). Von der DBD einmal angesehen,
pendelte der Zuwachs zwischen gerade einmal neun Prozent bei der NDPD,
knapp 90 Prozent bei der SED und 379 Prozent bei den Massenorganisationen,
wobei der letzte Wert insbesondere auf den deutlichen Zuwachs der Zeitung
der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die Junge Welt, (+790 Prozent)
zurückzuführen ist.
Tabelle 5: Zu- bzw. Abnahme
der Auflagen der Tagespresse von 1953 bis 1988 in Prozent
Das Auflagenwachstum erfolgte
auch bei den "alten" ostdeutschen Parteien CDU und LDPD gedämpfter
als bei der SED. Die DBD-Presse erlebte vor allem in den 1950er Jahren
ein deutlichen Niedergang, um danach zu stagnieren, und auch die NDPD-Presse
begann sich erst Anfang der 1960er Jahre von den Auflageneinbrüchen
der 1950er Jahre zu erholen. Die Auflagen der Massenorganisationen FDJ
und Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) wuchsen ab Ende der 1960er
Jahre gar überproportional.
Allerdings kam es trotz
des zwischen 1953 und 1988 insgesamt stetigen Anstiegs der Auflagen zwischen
1958 und 1963 bei allen Parteien zu zwischenzeitlichen Stagnationen oder
gar deutlichen Rückgängen der Auflagen.
Solche deutlichen Auflageneinbrüche
hatte es bereits vor 1953 gegeben. In der Frühphase der DDR und insbesondere
während der sowjetischen Besatzungszeit verloren etwa die CDU-Zeitungen
von 1946 (381.000 Exemplare) bis 1952 (167.000) 56 Prozent ihrer Auflage
(Tabelle 6). Die Auflage der LDPD-Presse sank von 422.000 Exemplaren im
Jahr 1946 auf 181.000 im Jahr 1951 und damit um 57 Prozent. Die NDPD verlor
von 1953 auf 1954 sieben Prozent ihrer Auflage. Diese Verluste wurden auf
die "staatlich erzwungene völlige politische Angleichung an die SED-Organe"
zurückgeführt. Bei der NDPD führte der Übergang von
der antifaschistisch-demokratische Ordnung zur Phase des Aufbaus des Sozialismus
1952 zu deutlichen Auflagenverlusten, da mit diesem Schritt die Funktion
der Partei und ihrer Presse in Frage gestellt wurde. Dagegen nahm die Verbreitung
der SED-Zeitungen auch Ende der 1940er Jahre zu.
Tabelle 6: Auflagenentwicklung
der Parteipresse 1945-1952 in 1.000
Die in den Jahren 1958 bis
1963 folgende nächste Phase der Auflagenverluste blieb jedoch mit
durchschnittlich kaum drei Prozent (Tabelle 7) deutlich geringer als die
vorangegangenen Einbrüche Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre.
Die SED- und NDPD-Zeitungen erreichten in jenem halben Jahrzehnt ihren
Auflagentiefpunkt bei einem Minus von rund zwei bzw. neun Prozent im Jahr
1963, die Blätter der CDU mit einem Verlust von weniger als drei Prozent
im Jahr 1961, und die Organe der LDPD erreichten nach einem Höhepunkt
im Jahr 1960 die Talsohle in den Jahren 1962/63 nach einem Verlust von
2,4 Prozent. Deutlich stärker an Zuspruch verlor die Junge Welt
der FDJ, die nach 1959 ein Sechstel ihrer Auflage einbüßte;
sie kam 1963 nur noch auf rund 250.000 Exemplare. Das Bauern-Echo der DBD
sackte bis 1958 um insgesamt rund 33 Prozent ab, wobei dieser Niedergang
bereits 1952 begann.
Tabelle 7: Auflagenkrise
Ende 1950er/Anfang 1960er Jahre nach Tageszeitungsgruppen (eig. Berechnungen)
Gesamt-zeitraum Insgesamt ist die Entwicklung
des DDR-Pressesystems dadurch gekennzeichnet, dass die Bedeutung der Zeitungen
der Blockparteien gegenüber denen der SED beständig abnahm. Gingen
im Jahr 1953 16 Prozent der Auflagen der Parteizeitungen an CDU, LDPD,
NDPD und Bauerpartei, waren es 1988 nur noch elf Prozent.
Das deutliche Übergewicht
der SED-Zeitungen relativiert sich jedoch, wenn die eigentliche Aufgabe
der Zeitungen als "Quasi-nur-Parteipresse" bzw. "Mitteilungsblätter
der Parteien" berücksichtigt wird. Werden die Zeitungsauflagen der
einzelnen Parteien nämlich in Relation zu ihrer Mitgliederzahl gesetzt,
so zeigt sich, dass die SED keinen exorbitanten Vorsprung genoss (Tabelle
8). Alle ostdeutschen Parteien konnten mehr Zeitungen verbreiten als sie
Mitglieder hatten, wobei die entsprechenden Möglichkeiten für
die LDPD lange Jahre sogar deutlich besser waren als für die führende
Staatspartei SED.
Tabelle 8: Verhältnis
von Parteizeitungsauflagen und Mitgliedszahlen (Tageszeitungen je Mitglied;
eig. Berechnungen)
Derweil sich bei den "bürgerlichen"
Zeitungen Anfang der 1950er Jahre die Mitgliedszahlen, mehr aber noch die
Auflagen in den Keller bewegt hatten, vergrößerten sich die
Möglichkeiten der SED, mit ihren Zeitungen die parteiferne Bevölkerung
zu erreichen, in allen Jahrzehnten. Trotzdem entwickelte sich von den 1960er
bis in die 1980er Jahren das Auflagen-Mitglieder-Verhältnis der LDPD-Presse
deutlich besser als bei der SED.
In der Forschung häufig
problematisiert wurden die Auswirkungen der Vorgaben des DDR-Presseamtes
auf die verlegerischen Möglichkeiten der Blockparteien, insbesondere
die staatliche Vorgabe von Maximalauflagen: Von der Staats- bzw. Parteiführung
begrenzte Auflagen, die die Wachstumschancen konkurrierender der Zeitungen
begrenzten, wurden für CDU und LDPD insbesondere zwischen 1945 und
1947 als Problem benannt. Die Unterdrückung der "bürgerlichen"
Konkurrenz durch die Verweigerung der benötigten Papiermengen bzw.
Auflagen wird jedoch in der Literatur vereinzelt nicht nur für die
1940er Jahre, sondern für die gesamte DDR-Zeit behauptet. So erkannte
Picaper eine von der Staats- und Parteiführung befohlene "Reduzierung
der Auflage der Zeitungen der Blockparteien", für Koch-Mehrin wurde
bei den Blockparteien "die Entwicklung gewaltsam dahin gelenkt, daß
ihre Auflagen zugunsten der SED-Presse immer weiter sinken müssen".
Entsprechende Aussagen lassen
sich zwar mit den Akten des Presseamtes spätestens seit den 1970er
Jahren belegen und kennzeichnen auch die Papiersituation der 1940er Jahre,
treffen jedoch auf die 1950er Jahre nicht zu, in denen sich überhaupt
keine Restriktionen bei den Auflagenhöhen nachweisen ließen.
Statt einer restriktiven staatlichen Reduzierung der Auflagen waren vereinzelt
sogar deutliche Überschreitungen der Lizenzauflagen nachweisbar. So
konnten die CDU-Blätter die vom Presseamt vorgegebenen Lizenzauflagen
in den Jahren 1953 und 1954 mit 3.000 bzw. 15.000 Exemplaren relativ deutlich
überschreiten. Davon gingen 1954 allein 10.000 Exemplare auf das Konto
der Neuen Zeit, die ihre Lizenzvorgaben damit um immerhin 20 Prozent
übertraf. Die Sächsischen Neuesten Nachrichten überschritten
1953 ihre Lizenzauflage von 25.000 Exemplaren mit 3.500 Stück ebenfalls
deutlich.
Auch in der Phase zurückgehender
Auflagen Ende der 1950er Jahre ließ sich keine restriktive Auflagenpolitik
des Presseamtes nachweisen. Bereits nach 1955 unterschritten die Auflagen
der Blockparteizeitungen teilweise die vom Presseamt genehmigten Auflagen
deutlich (Tabelle 9) – die Zeitungen der Blockparteien hatten es "schwer
ihre Leser zu finden". In diesen Jahren blieben die Lizenzauflagen vom
Presseamt teilweise deutlich höher angesetzt, als die Verlage ausschöpfen
konnten. Nach den statistischen Daten setzten insbesondere die Blätter
der NDPD zusehends weniger Zeitungen ab als von der staatlichen Planungsbürokratie
erlaubt. Zwar verbreiteten auch die SED-Blätter weniger Zeitungen
als in den Lizenzurkunden zugestanden, dies geschah jedoch vor dem Hintergrund
von insgesamt stärker steigenden Auflagen.
Tabelle 9: Ausschöpfung
der genehmigten Auflagen durch die Blockparteiverlage 1953-1963 – Vergleich
Druck- und Lizenzauflage (in 1000)
Erst seit Ende der 1960er
Jahren wurden den Blockparteizeitungen vom Presseamt nur noch Auflagensteigerungen
zugestanden, die deutlich geringer waren als von den Verlagen erwünscht,
was dann das Wachstum der Zeitungen stark beschränkte. Die Blockparteiverlage
befanden sich seither mit dem Presseamt bereits im Konflikt, wenn sie nur
Auflagensteigerungen anstrebten, die im niedrigen dreistelligen Bereich
lagen. Nachdem etwa im Jahr 1976 die verbreitete Auflage des Sächsischen
Tageblatts (LDPD) regelmäßig leicht über der Lizenzvorgabe
von 65.900 Exemplaren gelegen hatte, erreichte der Verlag Anfang 1979 eine
Erhöhung der Lizenzauflage um 700 auf 66.600 Exemplare. Als anschließend
jedoch die monatlichen Auflagen im Juni (67.327), Juli (66.862) und August
(66.870) erneut geringfügig über die Lizenzauflage kletterten,
erfolgte ab September 1979 eine Abstrafung: Die Lizenzauflage wurde nicht
auf das nun erforderliche Niveau angehoben, sondern um 250 auf 66.350 Exemplare
abgesenkt. Ähnlich negative Konsequenzen mussten Mitte der 1970er
Jahre auch die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten (NDPD) erleben.
Nachdem die Zeitung im Jahr 1976 statt der genehmigten 23.000 Exemplare
beständig zwischen 400 und 700 Stück mehr gedruckt und verkauft
hatte, erfolgte im Oktober 1977 eine Absenkung der lizensierten Auflage
auf 22.600 Stück.
Bevor das Presseamt eine
restriktive Zuteilung von Papier bzw. die Festsetzung zu niedriger Maximalauflagen
zur Regulierung des Pressewesens nutzte, hatte es in den 1950er Jahren
durch geringere Erscheinungsfrequenzen die Möglichkeiten der Blockparteizeitungen
beschnitten. So waren die regionalen Blätter der Blockparteien den
SED-Bezirkszeitungen anfänglich in der Erscheinungshäufigkeit
deutlich unterlegen und mussten sich "zum größten Teil [...]
auf Jahre hinaus mit zwei- oder dreimaligem wöchentlichem Erscheinen
begnügen". Diese Unterschiede waren 1953 teilweise noch vorhanden,
spätestens 1956 jedoch vollständig abgebaut.
Ein begrenzender Faktor
waren zudem redaktionelle Mängel, die als Folge der Flucht oder erzwungenen
Entlassung qualifizierter bürgerlicher Journalisten auftraten und
zu einer personellen Auszehrung der Reaktionen führten, die sich negativ
auf Qualität und Lesernachfrage auswirkte. Eine weitere staatliche
Maßnahme, die die Möglichkeiten der Blockparteipresse beschränkten,
war das faktische Werbeverbot. Bis zuletzt begrenzte auch die geringere
Aktualität die Attraktivität und damit den Erfolg der Blockparteizeitungen,
denn viele Informationen erschienen in der Blockparteipresse "erst mit
einem Tag Verspätung".
Zu den wichtigen Parametern,
die ebenfalls bis zuletzt für eine Unattraktivität der Blockparteititel
sorgten, dürfte allerdings vor allem der geringere Umfang der Zeitungen
gehört haben, der durchgängig für die gesamte DDR-Geschichte
zu konstatieren ist (Tabelle 10). Lediglich die Zentralorgane der Blockparteien
erreichten im Durchschnitt wöchentliche Umfänge, die mit denen
der SED-Bezirksblätter vergleichbar waren. Dies führte dazu,
dass die SED-Zeitungen bis auf die Kirchenberichterstattung ausführlicher
berichten konnten als die Blockparteiblätter.
Tabelle 10: Durchschnittliche
Seitenumfänge der DDR-Zeitungen 1953 bis 1963 und 1989
Während Papierzuteilungen,
Auflagenhöhen, Umfänge und Erscheinungsweisen weitgehend vom
staatlichen Presseamt vorgegeben wurden, waren die Parteien bei inneren
verlegerischen Entscheidungen freier. Zwar stieß die Gründung
neuer Ausgaben auf Widerstände (s.o.), doch wurden Überlegungen,
komplette Zeitungstitel einzustellen, vom Presseamt lediglich zur Kenntnis
genommen. Vor allem konnten die Verlage offenbar selbst entscheiden, ob
sie mit ihren Zeitungen eher überregional oder stärker regional/lokal
in Erscheinung treten wollten. Anders als die SED, die im ganzen Spektrum
ihrer Tagespresse zwischen 1953 und 1988 Auflagenzuwächse erzielen
konnte, waren die anderen Parteien wegen der begrenzten Ressourcen bzw.
personellen Möglichkeiten gezwungen, sich entweder auf die zentralen
Parteiorgane oder auf die regionalen Zeitungen zu konzentrieren.
Die Entscheidungen fielen
unterschiedlich aus. Die CDU entschied sich zu einer Förderung ihres
Zentralorgans Neue Zeit, während die Zentralorgane National-Zeitung
der NDPD und Der Morgen der LDPD nach 1953 eine eher negative Auflagenentwicklung
zu nehmen hatten. Statt ihren überregionalen Morgen zu fördern,
nutzte die LDPD das ihr zugewiesene Papierkontingent, um vor allem ihre
regionale Presse zu stärken. Die NDPD, die über lange Jahrzehnte
eine insgesamt schwache Auflagenentwicklung hinzunehmen hatte, begann ihre
Ressourcen ab Mitte der 1960er Jahre ebenfalls verstärkt für
die regionalen Zeitungstitel zu nutzen.
Die mögliche Bandbreite
der Vorgehensweisen der Verlage und damit deren eigene Entscheidungskompetenz
zeigt sich dabei insbesondere bei den Parteien CDU und LDPD, von denen
erstere ihr Zentralorgan
Neue Zeit weitestgehend unter völliger
Vernachlässigung der Regionalzeitungen förderte, während
die LDPD umgekehrt ihre Regionalzeitungen im ersten Jahrzehnt sogar deutlich
zu Lasten ihres Zentralorgans aufbaute.
Während pressestatistische
Daten für die sowjetische Besatzungszeit von 1945 bis 1949 weitestgehend
und für die ersten drei Jahre nach Gründung der DDR für
die parteiunabhängigen Medien weiterhin nur bruchstückhaft übermittelt
sind, können für die Zeit nach dem Beginn der 1950er Jahre pressestatistische
Angaben zu den Auflagen der DDR-Zeitungen und ihren verlegerischen Strukturen
weitgehend lückenlos erhoben werden. Gut rekonstruierbar ist damit
insbesondere jene zentrale Phase der DDR-Pressegeschichte, die sich durch
weitgehende Stabilität auszeichnete: Lückenhaft bleibt dagegen
insbesondere die Zeit der sowjetischen Besatzungsherrschaft, als die Presseentwicklung
Ostdeutschlands durch eine nur bedingt straff nach kommunistischen Vorgaben
durchorganisierte Presselenkung geprägt war, die – statistisch bislang
unzureichend erschlossen – privates Zeitungseigentum genauso zuließ
wie ein Weiteragieren traditioneller Zeitungsverleger und in der wegen
des Fehlens einer zentralen staatlichen Verantwortungsebene eine zentrale
Datenüberlieferung weitgehend ausgeschlossen war.
Wie die pressestatistischen
Daten belegen, bedeuteten erst die Jahre 1952/53 für die ostdeutsche
Tagespresse pressestatistisch eine weitgehende Stabilisierung und damit
das Ende der Nachkriegszeit. Zuvor hatte sich in der DDR der Sozialismus
und zugleich auch die staatlichen Strukturen gefestigt: Die "antifaschistisch-demokratisch"
genannte gesellschaftliche Übergangsperiode war beendet worden, als
nächste gesellschaftliche Phase wurde auf der zweiten Parteikonferenz
der SED im Juli 1952 offiziell der "Aufbau des Sozialismus" verkündet,
was den
Beginn des Umbaus der DDR in eine nach dem
marxistisch-leninistischen Strukturprinzip funktionierende sozialistische
staatliche Ordnung des "demokratischen Zentralismus" markierte. Als im
Jahr 1952 zudem im Zuge der neuen staatlichen Zentralisierung die ehemaligen
Länder aufgelöst und als regionale Gliederung Bezirke eingerichtet
wurden, was "die letzten Reste" von Föderalismus und Selbstverwaltung
beseitigte, ging dies auf der Ebene der Presse mit der Umwandlung der SED-eigenen
Landeszeitungen in Bezirkszeitungen einher, was zu einer "einschneidende[n]
Veränderung im Pressewesen" führte.
Indem die SED ihren Medien
1952/53 jene verlegerisch-ökonomische Struktur gegeben hatte, die
sich weitestgehend bis 1989 erhalten sollte, war der Neuaufbau ihrer Presse
weitgehend abgeschlossen; die Presse hatte "ihre endgültige organisatorische
Form gefunden". Zugleich hatten auch die Blockpartei-Verlage ihr letztendliches
Aussehen angenommen: Im Februar 1953 erschien mit den Norddeutschen
Neuesten Nachrichten – nach Auflösung der Länder für
das Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns – die letzte Landeszeitung der NDPD,
nachdem die anderen Parteien sich bereits allerorten etabliert hatten.
Im April 1953 wurde schließlich auch der letzte Rest der unmittelbaren
Nachkriegspresse beerdigt, der von privaten Eigentümern getragene
Berliner Nacht-Express. Im Bereich der Tagespresse waren die verlegerischen
Strukturen damit weitgehend vollendet. "Die Herausgeberschaft, die Erscheinungsweise
und die regionale Differenzierung der Blätter haben sich seither nur
unwesentlich verändert." Die pressestatistischen Daten belegen diese
bisherige Aussagen, wonach die späten 1950er Jahre sowie die 1960er,
70er und 80er Jahre – zumindest in der Grobstruktur – bei einem sich kaum
noch ändernden Lenkungsapparat und einer sich als vergleichsweise
unelastisch erweisenden Pressestruktur nur noch von marginalen Veränderungen
geprägt waren.
Daneben belegt eine pressestatistische
Auswertung der DDR-Postzeitungslisten, dass die Presse der "bürgerlichen"
Parteien CDU, LDPD, NDPD anders als die Organe der bereits in der DDR-Verfassung
als führend bestimmten SED in einer geringen Zahl von Landkreisen
verbreitet wurden. Die Statistik dokumentiert aber auch, dass den Blockparteiverlagen
zumindest vereinzelt durchaus lokale Presseaktivitäten möglichen
waren.
Auch die Analyse der Auflagendaten
des DDR-Presseamtes bestätigt den Befund, dass die Zeitungsverlage
der Blockparteien bei ihren Entscheidungen zumindest den Spielraum hatten,
ihre lokalen Zeitungsgeschäfte zulasten ihrer überregionalern
Medienpräsenz zu fördern und lokale Akzente zu setzen .
Die Auflagenzahlen belegen
wie nicht anders zu erwarten zudem insgesamt die absolute Dominanz der
Presse der SED sowie der Massenorganisationen. Wird jedoch der Charakter
der Zeitungen als Parteiblätter in Rechnung gestellt und werden als
Vergleichsgröße die Mitgliedszahlen gewertet, reduziert sich
diese deutliche Dominanz der SED.
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Matysiak Stefan Matysiak:
Grundlage
Die sowjetische Besatzungsmacht und später die DDR-Regierung vergaben Lizenzen nur an Parteien und große Organisationen. Lediglich zwischen 1946 und 1953 konnten auch private Tageszeitungen erscheinen, so die Leipziger Zeitung, Berlin am Mittag, Altenburger Nachrichten, in Weimar die Abendpost, in Potsdam die Tagespost und der Nacht-Express in Berlin. Der Express-Verlag konnte sich dabei mit Zeitschriftentiteln wie Illustrierter Radsport-Express, Der Sammler-Express oder Der Kleingärtner und Siedler zu einem differenzierteren größeren Verlag entwickeln. Auch die liberaldemokratischen Parteizeitungen Norddeutsche Zeitung oder Der Morgen hatten anfangs private Lizenzinhaber. Die privaten Zeitungen wurden jedoch bis spätestens Anfang der 1950er Jahre geschlossen bzw. die Lizenzen auf die ostdeutschen Parteien übertragen.
Die Lizenzen waren bis zum Zusammenbruch der DDR nötig, um einen Titel publizieren zu dürfen. Die Anzahl der Tageszeitungen der DDR blieb dadurch während der vierzig Jahre nahezu konstant. Auch in der DDR wurde in der Verfassung die formelle Pressefreiheit verankert. Jedoch gab es durch Verordnungen, Bestimmungen und Kontrollen der Behörden zahlreiche Einschränkungen, so dass von einer Pressefreiheit, wie westliche Demokratien sie kennen, nichts mehr übrig war. Ein Pressegesetz gab es nicht. Auch von einer Informationsfreiheit kann man nicht sprechen.
Vertrieben wurden die Titel ausschließlich über den Postweg, so konnte der Staat am besten seine Kontrolle ausüben. Kontrolliert wurden die Massenmedien durch den Staatsapparat, oberste Behörde war hierfür die Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees der SED.
Genehmigte, aber trotzdem nicht gern gesehene Publikationen hatten durch Restriktionen oft Rohstoffmangel, um ihre Titel drucken und veröffentlichen zu können. Die Tageszeitung mit der höchsten Auflage war die Junge Welt der FDJ (1989 circa 1,3 Millionen Exemplare), vor Neues Deutschland (1989 knapp eine Million Exemplare), dem Zentralorgan der SED. 1989 gab es in der DDR noch 39 Tageszeitungen, davon 30 Regionalzeitungen. Ihre Gesamtauflage betrug um die 9,7 Millionen Exemplare. Die SED selbst gab 15 Bezirkszeitungen heraus, diese wurden nach der Wiedervereinigung an westdeutsche Verlage, durch die Treuhand, verkauft. Zu den Printmedien der DDR gehörten außerdem 30 Wochenzeitungen und Illustrierte, darunter Fernseh-, Familien-, Frauen- und Modezeitschriften (insgesamt circa neun Millionen Exemplare); nicht zu vergessen die sehr beliebte und noch heute viel zitierte Satirezeitschrift Eulenspiegel.
Steuerung der Inhalte der Medien
Gegenstände und Schwerpunkte der Berichterstattung der Medien wurden zentral vorgegeben. Diese zentrale Vorgabe erfolgte durch das Politbüro des Zentralkomitees (ZK). Dem ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda war unter anderem die Abteilung Agitation unterstellt, die für die Organisation und Lenkung der Massenmedien verantwortlich war. Instrumente der Steuerung waren tägliche Konferenzen in Berlin, Konferenzschaltungen zu den übrigen SED-Zeitungen und Presseanweisungen. Ein weiteres Instrument waren die „Anleitungen“ des Presseamtes der DDR-Regierung.
Auf lokaler Ebene erfolgte dieser Prozess über die staatlichen „Ämter für Information“, die ebenfalls „Anleitungen“ gemäß der Ost-Berliner Vorgaben erließen. Auch über die Parteizentralen wurde eine indirekte Zensur durch die Vorgabe von den Redaktionen täglich über Fernschreiber zugestellten Pflichtthemen, Kommentarargumenten, Schlagzeilenformulierungen und „Sollplänen“ ausgeübt. Unter Redakteuren der Provinzzeitungen herrschte deshalb das geflügelte Wort: „Meine Meinung kommt um zwei Uhr aus Berlin!“
Matysiak, Stefan: .Stefan Matysiak