Die Statistik der ostdeutschen Tagespresse
 

Die vollständige Fassung dieses Textes inklusive Quellen und zusätzlichen statistischen Abbildungen erschien in Deutschland Archiv Nr. 1/2009, S. 59-73: Die Entwicklung der DDR-Presse. Zur ostdeutschen historischen Pressestatistik
 
 

Gliederung:

Einleitung

Pressestatistischer Überblick über die DDR-Tagespresse

Entwicklung der ökonomisch-redaktionellen Strukturen

Entwicklung der Auflagen der DDR-Tagespresse

Zusammenfassung
 
 


Bislang voll daneben

Gegenüberstellung der Auflage der CDU-Bezirkszeitung Der Neue Weg (schwarz) und vereinzelter westdeutscher Schätzungen (rot) 1950 bis 1965
 

Weitere Links:

Erste ostdeutsche Nachkriegszeitungen

Ostdeutsche Presse nach der Wende

Britische Heeresgruppenpresse 1945/46

Ostdeutsche Altverleger im Westen

Einleitung

Die Geschichtsschreibung zur Entwicklung der DDR litt bislang, was die quantitative Darstellung der Pressestrukturen betrifft, unter einer ungenügenden Datenlage. Der Grund: Bereits im September 1951 hatte der SED-Parteibetrieb für Druckereien und Verlage, die Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft mbH (Zentrag), seine zugehörigen Unternehmen angewiesen, keine Auflagen mehr bekannt zu geben. Regelmäßige Daten zur Verbreitung der ostdeutschen Tagespresse wurden seither nicht mehr veröffentlicht, womit eine "Zeitungsstatistik, die der Öffentlichkeit zugänglich war, [...] in der Deutschen Demokratischen Republik im Gegensatz zur Bundesrepublik nicht betrieben worden zu sein" schien. Deshalb blieben die Informationen über die ostdeutsche Presseentwicklung insgesamt unzureichend bzw. galt für westdeutsche Forscher als "ein besonderes Problem bei der Analyse des Pressewesens die unvollständigen, ungesicherten und unüberprüfbaren Auflagenzahlen". Dieser Mangel betrifft selbst die Zeit vor dem Mauerbau mit einer für Informationen noch durchlässigeren Grenze. Dieselben Informationsdefizite trafen auch für jene Angaben zu, die die verlegerisch-redaktionelle Struktur der Presse erhellen konnten, etwa Daten zur Zahl der Zeitungsausgaben.

Eine Sichtung neuer Quellen kann bei der Klärung folgender Fragen helfen: Welche Auflagen erreichten die Tageszeitungen der DDR? Inwiefern entstanden bei der Auflagenentwicklung Unterschiede zwischen den einzelnen DDR-Parteien? Welche Strukturunterschiede wiesen die Zeitungsgruppen der DDR-Parteien auf? Die Antworten auf diese Fragen sind geeignet, vorhandene Aussagen zur Pressegeschichte der DDR quantitativ zu untermauern.

Pressestatistischer Überblick

Der pressestatistische Überblick über die Auflagenentwicklung und die Entwicklung der verlegerischen Strukturen (Tabelle 1) zeigt für die Jahre von 1953 bis zum Ende der DDR eine leicht abnehmende aber insgesamt weitgehend stabile Zahl publizistischer Einheiten und Zeitungsausgaben. Dagegen stiegen die Zeitungsauflagen im selben Zeitraum kontinuierlich an und hatten sich schließlich am Ende der DDR beinahe verdoppelt. Für die Zeit zwischen 1948 und 1953, als sich die Presse im Anschluss an ihre Entstehungsphase konsolidierte, ist dagegen eine gegenläufige Tendenz festzustellen: Die Auflagen sanken, die Zahl der Zentralredaktionen und vor allem der Zeitungsausgaben stieg.

Tabelle 1: Tagespresse der DDR 1953-1983: Statistik im Überblick

 
Publizistische Einheiten
Ausgaben
Auflage in Mio.
Zeitung je
Jahr
absolut
Index
absolut
Index
absolut
Index
Einwohner
1953
39
100
304
100
4,9
100
0,27
1963
37
95
302
99
5,8
118
0,34
1973
38
97
299
98
7,4
151
0,44
1983
37
95
293
96
8,9
182
0,53

Ein Vergleich der pressestatistischen Eckdaten beider deutscher Staaten (Tabelle 2) zeigt dabei einerseits die in der ostdeutschen Staatswirtschaft und ihrem gelenkten Mediensystem deutlich stabilere Medienstruktur: Die Kenndaten "publizistische Einheiten" und "Auflagen" veränderten sich von den 1950 bis zu den späten 1980er Jahren in der DDR deutlich weniger als in der Bundesrepublik (Daten hier nach Schütz 2005: 206), vor allem, da die im Westen durch marktwirtschaftliche Prozesse ausgelöste Pressekonzentration im Osten Deutschlands nicht stattfand, bzw. nicht stattfinden konnte.

Tabelle 2: Vergleich pressestatistischer Eckdaten BRD/DDR (Index: 1953/54 = 100)
Publizistische Einheiten
Zahl der Ausgaben
Auflage
Zeitung je Einwohner
Jahr
BRD
DDR
BRD
DDR
BRD
DDR
BRD
DDR
1953/ 1954
100
100
100
100
100
100
0,19
0,27
1987/ 1988
54
95
a85
98
154
194
0,27
0,57
a 1985

Im Bereich der Auflagen zeigt sich zugleich bereits Anfang der 1950er Jahre die in der DDR anders als in der Bundesrepublik offensichtlich politisch wichtige Funktion der Presse als Instrumente der sozialistischen Mobilisierung und des Machterhalts, die zur staatlichen Förderung einer größeren Verbreitung von Tageszeitungen führte. Zwar haben Medien auch in Demokratien westlichen Formats eine wichtige politische Funktion, die im Osten höheren Auflagen belegen aber, dass die DDR-Staatsführung ihr Augenmerk intensiver auf die Presse richtete, da diese "das entscheidende Feld von Argumentations- und Erfahrungsvermittlung in gesamtgesellschaftlichem Maßstab" war. Diese größere Verbreitung von Zeitungen hielt sich bis Ende der 1980er Jahre: Quantitativ konnte der Osten den Westen deutlich überholen.

Entwicklung der ökonomisch-redaktionellen Strukturen

Eine genauere Betrachtung von Strukturdaten wie der Zahl der publizistischen Einheiten oder der von den Vollredaktionen versorgten Nebenausgaben zeigt ein differenzierteres Bild, das sich insgesamt jedoch – wie zu erwarten – dadurch auszeichnet, dass bei denjenigen Verlagen, die der führenden Staatspartei SED zuzurechnen waren, die Gesamtzahl der publizistischen Einheiten und Ausgaben deutlich größer war als bei den Verlagen der auch politisch unterlegenen Blockparteien CDU, Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) und National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD).

Die führende Rolle der SED war im Bereich der Presse bereits 1945 entstanden, als die Vorgängerpartei KPD von der Sowjetischen Besatzungsmacht (SMAD) im Bereich der Medien massiv gefördert wurde. 1947 gab die SED für ihre damals zehn Tageszeitungen mindestens 77 Regionalausgaben heraus und war damit in den einzelnen ostdeutschen Ländern anders als die Blockparteien CDU und LDPD bereits weitgehend bis hinunter zur Kreisebene publizistisch vertreten. Als 1952 in der DDR anstelle der Länder Bezirke gebildet und zugleich die Zahl der Landkreise von 132 auf 217 vergrößert wurde, passte die SED-Presse ihre Strukturen an die neuen territorialen Gegebenheiten an: Seit Mitte 1953 kam es zur flächendeckenden Einrichtung von neuen Kreisseiten bzw. Kreisausgaben.

Zugleich mit der Abschaffung der Länder und den Bezirksgründungen wies die Staatsführung der regionalen und lokalen Publizistik eine stärkere Bedeutung für die Beeinflussung der Bevölkerung zu. Mit der flächendeckenden Zahl von Kreisausgaben wollte die SED "die Agitation nach lokalen Gegebenheiten [...] differenzieren" (Anonymus 1956: 87). Den Journalisten wurde dazu aufgegeben, "über folgende Fragen zu beraten und zu schreiben: Was ist das entscheidende in diesem neuen Bezirk, in diesem Kreis? [...] Wo entwickelt sich das Neue im Bezirk oder im Kreis? [...] Welchen Inhalt hat der Plan der Bezirksleitung und der Kreisleitung der Partei und des Bezirksrates?" (Axen 1952: 69) Als ‚sozialistische Heimatzeitung’ sollten die Medien die Bevölkerung gezielter ansprechen und umwerben können.

Die 1946 mit der Vereinigung von SPD und KPD gegründeten SED-Regionalzeitungen, die damals entweder für ein ganzes Land (etwa die Landes-Zeitung, Schwerin; Märkische Volksstimme, Potsdam) oder für einzelne Regionen (etwa die Lausitzer Rundschau aus Görlitz für die Lausitz oder die Freie Presse aus Plauen für das Vogtland) erschienen, wurden nach der Abschaffung der Länder in 14, für jeweils einen einzigen Bezirk zuständige Blätter umgewandelt, wobei abweichend von der Regionalstruktur bis in die späten 1950er Jahre im Bezirk Karl-Marx-Stadt/Chemnitz mit der Chemnitzer Volksstimme und der Zwickauer Freien Presse zwei Zeitungen erhalten blieben. Aus den im Jahr 1948 insgesamt 111 Zeitungsausgaben regionaler SED-Zeitungen wurden so bis 1953 218 ‚sozialistische Heimatzeitungen’; hinzu kam die lokale Berliner Zeitung und das Boulevardblatt BZ am Abend sowie der Vorwärts/Berliner Volksblatt als Berliner Lokalausgabe des Neuen Deutschlands – eine Gesamtzahl, die im wesentlichen bis zum Ende der DDR erhalten blieb (Tabelle 3).

Tabelle 3: Zahl der Publizistischen Einheiten (PE) sowie ihrer Bezirks- bzw. Lokalausgaben (Ausgaben von Bezirkszeitungen, inklusive regionaler Nebenausgaben der Zentralorgane) nach Parteien
SED
CDU
LDPD
NDPD
Summe
 
PE
Ausg.
PE
Ausg.
PE
Ausg.
PE
Ausg.
PE
Ausg.
1953
18
221
6
19
5
20
5
19
34
279
1963
17
219
5
19
5
27
6
21
33
286
1973
18
218
5
18
5
26
6
18
34
280
1983
17
222
5
18
5
25
6
19
33
284

Die Zahl der Lokalausgaben der SED-Zeitungen folgte damit zwar ab den 1950er Jahren grundsätzlich der "Regel: ein Kreis - eine Lokalausgabe". Gleichwohl erschienen im Verlauf der Zeit in einzelnen Kreisen auch mehrere Zeitungsausgaben. Im Kreis Nauen entstand so neben der dortigen Kreisausgabe der Märkischen Volksstimme eine weitere für die am Rand von Westberlin gelegene Dorfgemeinde Falkensee oder zusätzlich zu den Ausgaben Halle (Saale) und Saalkreis der Freiheit eine Ausgabe für die Trabantenstadt Halle-Neustadt. Im Ausnahmefall wurde sogar für einen einzelnen Großbetrieb eine eigene lokale Zeitungsausgabe installiert, nämlich vom Frankfurter Neuen Tag die Ausgabe Heimatzeitung für das Eisenhüttenkombinat-Ost.

Solche Ausnahmen von der Regel, dass pro Kreis nur eine Lokalausgabe gegründet werden sollte, schienen dann vorgekommen zu sein, wenn einzelne stark wachsende kommunale Gemeinwesen eine einem Stadt- oder Landkreis entsprechende Bedeutung bekamen und auf eine große Zahl von örtlichen Neubürgern integrierend gewirkt werden sollte. Die Zahl der lokalen Zeitungsausgaben entwickelte sich jedoch insgesamt weitgehend analog zum Kreisgebietsstand. Zu Abnahmen der Zahl der Ausgaben kam es deshalb nur wenn Kreisgebietsreformen erfolgt waren, etwa in Puttbus und Bergen, die zur Ausgabe Rügen der Ostsee-Zeitung zusammengeschlossen wurden sowie bei der Einstellung der Kreisausgabe Tangerhütte der Volksstimme.

Anders als bei der SED wurden die auf die Landkreise gerichteten lokalen Verlagsaktivitäten der Blockparteien CDU, LDPD und NDPD bislang von der westdeutschen Pressegeschichtsschreibung nicht weiter zur Kenntnis genommen. Für die Jahre 1945 bis 1947 mussten die Zeitungen von LDPD und CDU "der Arbeiterpresse praktisch das Monopol der Lokalberichterstattung überlassen mußten. Diese nämlich konnte bald dazu übergehen, sog. Kreisseiten zu drucken, auf denen u.a. die für die Bevölkerung lebenswichtigen Mitteilungen über Lebensmittelzuteilungen und behördliche Anordnungen bekanntgegeben wurden." Diese für die erste Phase der sowjetischen Besatzung weitgehend richtige Aussage wurde von der Forschung auch auf die spätere DDR übertragen. So waren nach Geserick die Blockparteizeitungen "stets nur mit Bezirksausgaben, nicht aber mit Kreisseiten in Erscheinung getreten", setzten die Blockparteizeitungen nach Schneider "lediglich in den Bezirksstädten […] gewisse lokale Schwerpunkte ihrer Berichterstattung" bzw. hatten die Blockparteizeitungen nach Meyen "nur in den großen Städten eine Lokalseite".

Tabelle 3 zeigt jedoch bereits für den Beginn der 1950er Jahre eine Summe von Blockpartei-Lokalausgaben, die an Zahl die 14 Bezirkshauptstädte deutlich übersteigt. Zwar gaben die Parteien tatsächlich in den Bezirksstädten Zeitungsausgaben heraus, daneben bestanden aber bereits 1953 zusätzlich auch Ausgaben in kleineren Städten bzw. Landkreisen, etwa die Ausgabe Zeitz des Neuen Weges (CDU), Halberstadt der Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten oder Eisenach der Thüringer Neuesten Nachrichten (beide NDPD).

Die Entwicklung dieser lokalen Presseaktivitäten verlief jedoch bei den Parteien NDPD, CDU und LDPD uneinheitlich. Insbesondere die LDPD zeigte in einer größeren Zahl ostdeutscher Landkreise Präsenz mit eigenen Zeitungen. Von Anfang bis Ende der 1950er Jahre stieg die Zahl ihrer Ausgaben von 20 auf 26 (Tabelle 3). Obwohl die Partei anders als CDU und NDPD neben dem Zentralorgan lediglich über vier Landeszeitungen verfügte, bot sie die meisten lokalen bzw. regionalen Ausgaben an. Die Liberal-Demokratische Zeitung in Sachsen-Anhalt gab beispielsweise acht Kreisausgaben heraus, die nominell jeweils zwischen zwei und zehn Kreise umfassten.

Auch die NDPD, deren Presse bei der lokalen Differenzierung 1956 mit 24 Ausgaben einen Höhepunkt erlebte, etablierte abseits der Bezirksstädte eine Vielzahl von lokalen Ausgaben. Entsprechende Tageszeitungen mit regelmäßiger lokaler Berichterstattung erschienen so neben Halberstadt und Eisenach auch in Weimar, Brandenburg/Havel, Bautzen und Dessau.

Die CDU orientierte sich mit ihren Zeitungen dagegen wenig in ländliche Regionen. In den links der Neiße gelegenen, nach 1945 zu Sachsen gekommenen Teilen der ehemaligen preußischen Provinz Schlesien gab die Christenunion eine eigene Ausgabe Görlitz/Oberlausitz der Dresdner Union heraus. Daneben brachten nur der Neue Weg für Zeitz und das Thüringer Tageblatt für die beiden katholischen Eichsfeldkreise Worbis und Heiligenstadt im kleinstädtisch-ländlichen Raum besondere christdemokratische Lokalausgaben hervor. Der lokale Schwerpunkt der CDU-Presse lag in den Bezirkshauptstädten sowie der alten thüringischen Landeshauptstadt Weimar. Die Lokalberichterstattung dieser Kreis- oder Stadtausgaben konzentrierte sich dabei im Wesentlichen auf jene Stadt, in der die Redaktionen ihren Sitz hatte, selbst wenn eine solche Ausgabe nominell für zwei oder drei Landkreise gedacht war.

Auch wenn die insbesondere bei NDPD und CDU weitgehend gleich bleibende Zahl von Ausgaben (Tabelle 3) eine gewissen verlegerische Stabilität nahe legt, zeigt eine genauere Betrachtung insbesondere der 1950er Jahre vielfältige – allerdings vom staatlichen Presseamt kontrollierte bzw. beschränkte (vgl. Holzweißig 1991) – Gründungs- und Schließungsaktivitäten, in deren Folge die Blockparteiverlage in als lohnend erscheinenden Städten neue Zeitungsausgaben installierten. So stieg bei der LDPD die Zahl der Zeitungsausgaben von 22 im Jahr 1956 um ein knappes Viertel auf 27 drei Jahre später.

Bei ihren Gründungsaktivitäten waren die Blockparteien jedoch strukturell benachteiligt. Denn da die dominierenden SED-Bezirkszeitungen bereits früh Kreisausgaben hatten gründen können, verringerten sich für die Verlage von CDU, LDPD und NDPD die Erfolgschancen: Indem sie lediglich als Zweitanbieter starten konnten, war der Absatz ihrer Neugründungen behindert, was immer wieder zu einer Leserresonanz führte, die von den Blockparteiverlagen als zu gering erachtet wurde, um den finanziellen Aufwand längerfristig zu rechtfertigen.

Die Folge war, dass viele Gründungsversuche nach mehr oder weniger kurzer Testphase wieder abgebrochen wurden. So hatte sich das christdemokratische Thüringer Tageblatt bis zum Jahr 1952 fünf Ausgaben für Stadt und Kreis Erfurt, für das Eichsfeld, für Eisenach und Bad Salzungen, für Stadt und Kreis Weimar sowie eine Landausgabe für die übrigen thüringischen Landkreise zugelegt. Bis 1954 wurde ergänzend eine Kreisausgabe für Sömmerda gegründet, die Eisenacher Zeitung hingegen schon wieder geschlossen. 1961 war nach der Ausgabe Eisenach auch die Ausgabe Sömmerda wieder eingestellt. Auch der ebenfalls christdemokratische Neue Weg aus Halle, der seit Ende der 1940er Jahre Ausgaben in Magdeburg und Zeitz herausgab, mühte sich um Neugründungen, so in Dessau und Wernigerode (vgl. CDU-Vorstand Landesverband Sachsen-Anhalt 1950) sowie in Wittenberg. Diese Pläne wurden allerdings aus unbekannten Gründen nicht realisiert.

Auch bei der NDPD kam es zu vielfältigen verlegerischen Aktivitäten zur Etablierung von neuen Zeitungsausgaben. Die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten starteten so 1951 mit drei Lokalausgaben für Cottbus, den Kreis Potsdam und die Stadt Potsdam, 1952 kamen Ausgaben für die Stadt Brandenburg (Havel) und Frankfurt/Oder hinzu. Da die Ausgaben Frankfurt und Cottbus offenbar nicht die erwünschte Nachfrage verzeichnen konnten, wurden sie geschlossen, und der Verlag konzentrierte sich allein auf Lokalausgaben für Potsdam und Brandenburg (Havel). Im Bereich Plauen/Zwickau erschien zeitweise eine Ausgabe der Sächsischen Neuesten Nachrichten, die gleich zwei Mal (1953 und 1956) gegründet und jeweils wenig später wieder eingestellt wurde. Hintergrund dieser Aktivitäten waren die Versuche, einerseits mit Parteizeitungen den Zulauf zur Partei zu vergrößern, andererseits über den Verkauf von Zeitungen für die Partei aber auch Finanzquellen zu erschließen, so der langjährige NDPD-Sekretär für Agitation, Günter Hartmann: "Wir haben immer versucht, mit Hilfe unserer Zeitungen Mitglieder für die Partei zu gewinnen." Gab es in einer Region günstige Prognosen für die Mitgliederwerbung, "wurden zur Unterstützung Zeitungen gegründet und auch wieder eingestellt". Eine hohe lokale Auflage sollte der Parteikasse zugleich möglichst hohe Einnahmen sichern. "Und so haben wir also auch im Interesse der Auflagenhöhe in mitgliederstarken Verbänden der Partei einen Lokalredakteur gehabt und solche Austauschseiten." Dabei mussten die Zeitungsausgaben ihre Rentabilität nachweisen. Zeitungsschließungen kamen dann vor, wenn "es sich nicht lohnte, weil es finanziell problematisch war" und die Zeitungen ein Zuschussgeschäft geworden waren. "Dann waren wir gezwungen, aus solchen Gründen die Zeitungen zu schließen."

Wie nicht anders zu erwarten, bestätigen die Daten zur Verlagsstruktur insgesamt die Dominanz der SED-Presse, sie zeigen jedoch auch, dass die Möglichkeiten lokaler verlegerischer Tätigkeit für die Blockparteien größer waren als bislang vermutet: "Die Blockparteien hatten größere Spielräume als sie sie auszunutzen verstanden. Oder gewillt waren, sie überhaupt auszunutzen. Das hat sich in der Presse widergespiegelt."

Entwicklung der Auflagen

Eine Folge der bislang fehlenden Daten zur DDR-Tagespresse war insbesondere, dass diachron keine Zeitreihen gebildet werden konnten und dass synchron kein Vergleich der einzelnen Ost-Parteien möglich war. Eine Analyse des Datenmaterials aus dem Presseamt zeigt nun, dass insgesamt alle Parteien und Massenorganisationen mit Ausnahme der Bauernpartei DBD über das vier Jahrzehnte währende Leben der DDR hinweg eine positive Auflagenentwicklung verzeichnen konnten (Tabelle 4).

Tabelle 4: Entwicklung der Auflagen der Tagespresse (absolut; in 1000) nach Parteien bzw. Massenorganisationen
 
1953
1963
1973
1983
CDU
168
206
229
244
LDPD
197
217
232
252
NDPD
181
163
181
191
DBD
116
90
89
90
SED
3604
4588
5615
6526
parteilos
0
0
0
0
Massenorg.
389
507
1053
1602
SMAD
185
0
0
0
Summe
4859
5790
7418
8924
Kursiv: Auflage geschätzt

Allerdings unterschied sich das Ausmaß des Auflagenwachstums zwischen den einzelnen Parteien und Massenorganisationen stark (Tabelle 5). Von der DBD einmal angesehen, pendelte der Zuwachs zwischen gerade einmal neun Prozent bei der NDPD, knapp 90 Prozent bei der SED und 379 Prozent bei den Massenorganisationen, wobei der letzte Wert insbesondere auf den deutlichen Zuwachs der Zeitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die Junge Welt, (+790 Prozent) zurückzuführen ist.

Tabelle 5: Zu- bzw. Abnahme der Auflagen der Tagespresse von 1953 bis 1988 in Prozent
Organisation
DBD
NDPD
LDPD
CDU
SED
Massenorg.
Zu-/Annahme in %
-19
+9
+40
+59
+89
+379
Eigene Berechnungen.

Das Auflagenwachstum erfolgte auch bei den "alten" ostdeutschen Parteien CDU und LDPD gedämpfter als bei der SED. Die DBD-Presse erlebte vor allem in den 1950er Jahren ein deutlichen Niedergang, um danach zu stagnieren, und auch die NDPD-Presse begann sich erst Anfang der 1960er Jahre von den Auflageneinbrüchen der 1950er Jahre zu erholen. Die Auflagen der Massenorganisationen FDJ und Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) wuchsen ab Ende der 1960er Jahre gar überproportional.

Allerdings kam es trotz des zwischen 1953 und 1988 insgesamt stetigen Anstiegs der Auflagen zwischen 1958 und 1963 bei allen Parteien zu zwischenzeitlichen Stagnationen oder gar deutlichen Rückgängen der Auflagen.

Solche deutlichen Auflageneinbrüche hatte es bereits vor 1953 gegeben. In der Frühphase der DDR und insbesondere während der sowjetischen Besatzungszeit verloren etwa die CDU-Zeitungen von 1946 (381.000 Exemplare) bis 1952 (167.000) 56 Prozent ihrer Auflage (Tabelle 6). Die Auflage der LDPD-Presse sank von 422.000 Exemplaren im Jahr 1946 auf 181.000 im Jahr 1951 und damit um 57 Prozent. Die NDPD verlor von 1953 auf 1954 sieben Prozent ihrer Auflage. Diese Verluste wurden auf die "staatlich erzwungene völlige politische Angleichung an die SED-Organe" zurückgeführt. Bei der NDPD führte der Übergang von der antifaschistisch-demokratische Ordnung zur Phase des Aufbaus des Sozialismus 1952 zu deutlichen Auflagenverlusten, da mit diesem Schritt die Funktion der Partei und ihrer Presse in Frage gestellt wurde. Dagegen nahm die Verbreitung der SED-Zeitungen auch Ende der 1940er Jahre zu.

Tabelle 6: Auflagenentwicklung der Parteipresse 1945-1952 in 1.000
1945
1946
1947
1948
1949
1950
1951
1952
Neue Zeit
250
250
100
100
100
100
100
40
Märkische Union
-
-
-
-
30
30
30
14
Der Demokrat
-
20
20
20
20
20
20
19
Thüringer Tageblatt
-
30
30
30
30
30
30
26
Die Union
-
41
45
45
20
40
40
41
Der Neue Weg
20
40
20
25
25
25
25
27
CDU gesamt
270
381
215
220
225
245
245
167
Der Morgen
162
250
125
103
95
70
69
69
Norddeutsche Zeitung
-
20
22
21
18
17
12
12
Liberal-Demokr. Zeitung
-
50
50
25
25
25
25
40
Sächsisches Tageblatt
-
52
50
50
43
51
50
52
Thür. Landeszeitung
100
50
23
25
25
25
25
30
LDPD gesamt
262
422
270
224
206
188
181
203
National-Zeitung
-
-
-
139
143
101
86
74
Brandenburgische NN
-
-
-
-
-
-
22
30
Thüringische NN
-
-
-
-
-
-
26
32
Sächsische NN
-
-
-
-
-
-
-
22
Mitteldeutsche NN
-
-
-
-
-
-
-
14
NDPD gesamt
139
143
101
134
172
Neues Deutschland
-
?
?
?
373
327
448
440
Berliner Zeitung
194
337
404
468
479
491
447
428
BZ am Abend
-
-
-
-
?
?
171
167
Freie Presse
-
?
?
?
139
156
152
153
Volksstimme (Chemnitz)
-
?
?
?
148
146
142
176
Freiheit
-
?
-
-
247
247
256
278
Freies Wort
-
-
-
-
-
-
-
96
Lausitzer Rundschau
-
?
?
?
102
119
119
99
Leipziger Volkszeitung
-
?
?
?
211
255
249
281
Märkische Volksstimme
-
?
?
?
173
165
164
128
Neuer Tag
-
-
-
-
-
-
-
46
Ostsee-Zeitung
-
-
-
-
-
-
-
114
Sächsische Zeitung
-
?
?
?
220
265
233
280
Schweriner Volksztg.
-
?
?
?
216
191
188
139
Das Volk
-
?
?
?
505
500
493
365
Volksstimme (Magdebg.)
-
-
?
?
188
176
170
200
Volkswacht
-
-
-
-
-
-
-
154
SED gesamt
3001
3038
3232
3544

Die in den Jahren 1958 bis 1963 folgende nächste Phase der Auflagenverluste blieb jedoch mit durchschnittlich kaum drei Prozent (Tabelle 7) deutlich geringer als die vorangegangenen Einbrüche Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre. Die SED- und NDPD-Zeitungen erreichten in jenem halben Jahrzehnt ihren Auflagentiefpunkt bei einem Minus von rund zwei bzw. neun Prozent im Jahr 1963, die Blätter der CDU mit einem Verlust von weniger als drei Prozent im Jahr 1961, und die Organe der LDPD erreichten nach einem Höhepunkt im Jahr 1960 die Talsohle in den Jahren 1962/63 nach einem Verlust von 2,4 Prozent. Deutlich stärker an Zuspruch verlor die Junge Welt der FDJ, die nach 1959 ein Sechstel ihrer Auflage einbüßte; sie kam 1963 nur noch auf rund 250.000 Exemplare. Das Bauern-Echo der DBD sackte bis 1958 um insgesamt rund 33 Prozent ab, wobei dieser Niedergang bereits 1952 begann.

Tabelle 7: Auflagenkrise Ende 1950er/Anfang 1960er Jahre nach Tageszeitungsgruppen (eig. Berechnungen)
Zeitungsgruppe
Hochpunkt
Tiefpunkt
Abnahme/

Gesamt-zeitraum

Ø jährliche Abnahme
DBD
1952
1958
32,7 %
4,1 %
CDU
1958
1960
2,6 %
0,9 %
LDPD
1960
1962
2,4 %
1,2 %
NDPD
1960
1963
8,9 %
3,0 %
FDJ
1959
1963
16,7 %
4,2 %
SED
1960
1963
2,2 %
0,7 %

Insgesamt ist die Entwicklung des DDR-Pressesystems dadurch gekennzeichnet, dass die Bedeutung der Zeitungen der Blockparteien gegenüber denen der SED beständig abnahm. Gingen im Jahr 1953 16 Prozent der Auflagen der Parteizeitungen an CDU, LDPD, NDPD und Bauerpartei, waren es 1988 nur noch elf Prozent.

Das deutliche Übergewicht der SED-Zeitungen relativiert sich jedoch, wenn die eigentliche Aufgabe der Zeitungen als "Quasi-nur-Parteipresse" bzw. "Mitteilungsblätter der Parteien" berücksichtigt wird. Werden die Zeitungsauflagen der einzelnen Parteien nämlich in Relation zu ihrer Mitgliederzahl gesetzt, so zeigt sich, dass die SED keinen exorbitanten Vorsprung genoss (Tabelle 8). Alle ostdeutschen Parteien konnten mehr Zeitungen verbreiten als sie Mitglieder hatten, wobei die entsprechenden Möglichkeiten für die LDPD lange Jahre sogar deutlich besser waren als für die führende Staatspartei SED.

Tabelle 8: Verhältnis von Parteizeitungsauflagen und Mitgliedszahlen (Tageszeitungen je Mitglied; eig. Berechnungen)
1946
1949
1951
1960
1972
1977
1982
1989
SED
1,71
2,65
2,80
2,89
2,89
2,92
3,10
Bauernpartei
2,17
1,03
1,04
0,98
0,86
a0,82
NDPD
4,08
1,34
2,22
2,25
2,24
2,09
2,18
LDPD
3,73
1,12
1,17
3,16
3,32
3,23
3,07
2,58
CDU
2,54
1,04
1,44
2,01
1,61
1,94
1,98
a 1987

Die Auflagenentwicklung der Parteizeitungen korrelierte dabei nicht nur sehr eingeschränkt mit der Entwicklung der Mitgliedszahlen der Parteien, sondern sie war zudem zeitweise starken Wandlungen unterworfen. Eine Darstellung der Trendlinien zeigt, dass die Verlage der Blockparteien CDU, LDPD, NDPD und DBD Ende der 1940er Jahre Auflagenhöhen erreichten, die ein Mehrfaches der Mitgliedszahlen betrugen. Diese Blockparteien konnten damit anfänglich einen Bevölkerungskreis ansprechen, der relativ gesehen deutlich größer war als bei den SED-Zeitungen. Für die Frühzeit der NDPD belegt ein Zeitungs-Mitglieds-Verhältnis von 4:1 die große staatliche Förderung, die die Partei genoss.

Derweil sich bei den "bürgerlichen" Zeitungen Anfang der 1950er Jahre die Mitgliedszahlen, mehr aber noch die Auflagen in den Keller bewegt hatten, vergrößerten sich die Möglichkeiten der SED, mit ihren Zeitungen die parteiferne Bevölkerung zu erreichen, in allen Jahrzehnten. Trotzdem entwickelte sich von den 1960er bis in die 1980er Jahren das Auflagen-Mitglieder-Verhältnis der LDPD-Presse deutlich besser als bei der SED.

In der Forschung häufig problematisiert wurden die Auswirkungen der Vorgaben des DDR-Presseamtes auf die verlegerischen Möglichkeiten der Blockparteien, insbesondere die staatliche Vorgabe von Maximalauflagen: Von der Staats- bzw. Parteiführung begrenzte Auflagen, die die Wachstumschancen konkurrierender der Zeitungen begrenzten, wurden für CDU und LDPD insbesondere zwischen 1945 und 1947 als Problem benannt. Die Unterdrückung der "bürgerlichen" Konkurrenz durch die Verweigerung der benötigten Papiermengen bzw. Auflagen wird jedoch in der Literatur vereinzelt nicht nur für die 1940er Jahre, sondern für die gesamte DDR-Zeit behauptet. So erkannte Picaper eine von der Staats- und Parteiführung befohlene "Reduzierung der Auflage der Zeitungen der Blockparteien", für Koch-Mehrin wurde bei den Blockparteien "die Entwicklung gewaltsam dahin gelenkt, daß ihre Auflagen zugunsten der SED-Presse immer weiter sinken müssen".

Entsprechende Aussagen lassen sich zwar mit den Akten des Presseamtes spätestens seit den 1970er Jahren belegen und kennzeichnen auch die Papiersituation der 1940er Jahre, treffen jedoch auf die 1950er Jahre nicht zu, in denen sich überhaupt keine Restriktionen bei den Auflagenhöhen nachweisen ließen. Statt einer restriktiven staatlichen Reduzierung der Auflagen waren vereinzelt sogar deutliche Überschreitungen der Lizenzauflagen nachweisbar. So konnten die CDU-Blätter die vom Presseamt vorgegebenen Lizenzauflagen in den Jahren 1953 und 1954 mit 3.000 bzw. 15.000 Exemplaren relativ deutlich überschreiten. Davon gingen 1954 allein 10.000 Exemplare auf das Konto der Neuen Zeit, die ihre Lizenzvorgaben damit um immerhin 20 Prozent übertraf. Die Sächsischen Neuesten Nachrichten überschritten 1953 ihre Lizenzauflage von 25.000 Exemplaren mit 3.500 Stück ebenfalls deutlich.

Auch in der Phase zurückgehender Auflagen Ende der 1950er Jahre ließ sich keine restriktive Auflagenpolitik des Presseamtes nachweisen. Bereits nach 1955 unterschritten die Auflagen der Blockparteizeitungen teilweise die vom Presseamt genehmigten Auflagen deutlich (Tabelle 9) – die Zeitungen der Blockparteien hatten es "schwer ihre Leser zu finden". In diesen Jahren blieben die Lizenzauflagen vom Presseamt teilweise deutlich höher angesetzt, als die Verlage ausschöpfen konnten. Nach den statistischen Daten setzten insbesondere die Blätter der NDPD zusehends weniger Zeitungen ab als von der staatlichen Planungsbürokratie erlaubt. Zwar verbreiteten auch die SED-Blätter weniger Zeitungen als in den Lizenzurkunden zugestanden, dies geschah jedoch vor dem Hintergrund von insgesamt stärker steigenden Auflagen.

Tabelle 9: Ausschöpfung der genehmigten Auflagen durch die Blockparteiverlage 1953-1963 – Vergleich Druck- und Lizenzauflage (in 1000)
Zeitungen Auflage
1953
1958
1963
LDPD Lizenz
204
227
240
Ist
197
213
217
Ausschöpfung
96,6 %
93,6 %
90,4 %
CDU Lizenz
165
221
222
Ist
168
207
207
Ausschöpfung
101,8 %
93,7 %
93,2 %
NDPD Lizenz
195
196
196
Ist
178
178
162
Ausschöpfung
91,3 %
90,8 %
82,5 %
DBD Lizenz
135
105
103
Ist
116
85
90
Ausschöpfung
85,9 %
81,0 %
87,4 %
Zum Vergleich: Zentralorgan und Regionalzeitungen der SED 
Neues Deutschland Lizenz
550
800
800
Ist
452
733
799
Ausschöpfung
82,2 %
91,6 %
99,9 %
Berliner Zeitung Lizenz
450
450
325
Ist
420
414
285
Ausschöpfung
93,3 %
92,0 %
87,7 %
Freie Erde Lizenz
65
111
118
Ist
66
112
116
Ausschöpfung
101,5 %
100,9 %
98,3 %

Erst seit Ende der 1960er Jahren wurden den Blockparteizeitungen vom Presseamt nur noch Auflagensteigerungen zugestanden, die deutlich geringer waren als von den Verlagen erwünscht, was dann das Wachstum der Zeitungen stark beschränkte. Die Blockparteiverlage befanden sich seither mit dem Presseamt bereits im Konflikt, wenn sie nur Auflagensteigerungen anstrebten, die im niedrigen dreistelligen Bereich lagen. Nachdem etwa im Jahr 1976 die verbreitete Auflage des Sächsischen Tageblatts (LDPD) regelmäßig leicht über der Lizenzvorgabe von 65.900 Exemplaren gelegen hatte, erreichte der Verlag Anfang 1979 eine Erhöhung der Lizenzauflage um 700 auf 66.600 Exemplare. Als anschließend jedoch die monatlichen Auflagen im Juni (67.327), Juli (66.862) und August (66.870) erneut geringfügig über die Lizenzauflage kletterten, erfolgte ab September 1979 eine Abstrafung: Die Lizenzauflage wurde nicht auf das nun erforderliche Niveau angehoben, sondern um 250 auf 66.350 Exemplare abgesenkt. Ähnlich negative Konsequenzen mussten Mitte der 1970er Jahre auch die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten (NDPD) erleben. Nachdem die Zeitung im Jahr 1976 statt der genehmigten 23.000 Exemplare beständig zwischen 400 und 700 Stück mehr gedruckt und verkauft hatte, erfolgte im Oktober 1977 eine Absenkung der lizensierten Auflage auf 22.600 Stück.

Bevor das Presseamt eine restriktive Zuteilung von Papier bzw. die Festsetzung zu niedriger Maximalauflagen zur Regulierung des Pressewesens nutzte, hatte es in den 1950er Jahren durch geringere Erscheinungsfrequenzen die Möglichkeiten der Blockparteizeitungen beschnitten. So waren die regionalen Blätter der Blockparteien den SED-Bezirkszeitungen anfänglich in der Erscheinungshäufigkeit deutlich unterlegen und mussten sich "zum größten Teil [...] auf Jahre hinaus mit zwei- oder dreimaligem wöchentlichem Erscheinen begnügen". Diese Unterschiede waren 1953 teilweise noch vorhanden, spätestens 1956 jedoch vollständig abgebaut.

Ein begrenzender Faktor waren zudem redaktionelle Mängel, die als Folge der Flucht oder erzwungenen Entlassung qualifizierter bürgerlicher Journalisten auftraten und zu einer personellen Auszehrung der Reaktionen führten, die sich negativ auf Qualität und Lesernachfrage auswirkte. Eine weitere staatliche Maßnahme, die die Möglichkeiten der Blockparteipresse beschränkten, war das faktische Werbeverbot. Bis zuletzt begrenzte auch die geringere Aktualität die Attraktivität und damit den Erfolg der Blockparteizeitungen, denn viele Informationen erschienen in der Blockparteipresse "erst mit einem Tag Verspätung".

Zu den wichtigen Parametern, die ebenfalls bis zuletzt für eine Unattraktivität der Blockparteititel sorgten, dürfte allerdings vor allem der geringere Umfang der Zeitungen gehört haben, der durchgängig für die gesamte DDR-Geschichte zu konstatieren ist (Tabelle 10). Lediglich die Zentralorgane der Blockparteien erreichten im Durchschnitt wöchentliche Umfänge, die mit denen der SED-Bezirksblätter vergleichbar waren. Dies führte dazu, dass die SED-Zeitungen bis auf die Kirchenberichterstattung ausführlicher berichten konnten als die Blockparteiblätter.

Tabelle 10: Durchschnittliche Seitenumfänge der DDR-Zeitungen 1953 bis 1963 und 1989
 
1953
1958
1963
1989
Regionalzeitungen/Blockpart.
26-28
30
34
38
SED-Bezirkszeitungen
36
40
44-54
44-56
dar. Leipziger Volkszeitung
36
44
64
60
Bauern-Echo
36
40
48
 
Berliner Zeitung
38
44
68
60
Neue Zeit/Morgen
38
40
48
50
Neues Deutschland
40
40
52
68
Junge Welt
44
40
50
56
National-Zeitung
44
40
48
50

Während Papierzuteilungen, Auflagenhöhen, Umfänge und Erscheinungsweisen weitgehend vom staatlichen Presseamt vorgegeben wurden, waren die Parteien bei inneren verlegerischen Entscheidungen freier. Zwar stieß die Gründung neuer Ausgaben auf Widerstände (s.o.), doch wurden Überlegungen, komplette Zeitungstitel einzustellen, vom Presseamt lediglich zur Kenntnis genommen. Vor allem konnten die Verlage offenbar selbst entscheiden, ob sie mit ihren Zeitungen eher überregional oder stärker regional/lokal in Erscheinung treten wollten. Anders als die SED, die im ganzen Spektrum ihrer Tagespresse zwischen 1953 und 1988 Auflagenzuwächse erzielen konnte, waren die anderen Parteien wegen der begrenzten Ressourcen bzw. personellen Möglichkeiten gezwungen, sich entweder auf die zentralen Parteiorgane oder auf die regionalen Zeitungen zu konzentrieren.

Die Entscheidungen fielen unterschiedlich aus. Die CDU entschied sich zu einer Förderung ihres Zentralorgans Neue Zeit, während die Zentralorgane National-Zeitung der NDPD und Der Morgen der LDPD nach 1953 eine eher negative Auflagenentwicklung zu nehmen hatten. Statt ihren überregionalen Morgen zu fördern, nutzte die LDPD das ihr zugewiesene Papierkontingent, um vor allem ihre regionale Presse zu stärken. Die NDPD, die über lange Jahrzehnte eine insgesamt schwache Auflagenentwicklung hinzunehmen hatte, begann ihre Ressourcen ab Mitte der 1960er Jahre ebenfalls verstärkt für die regionalen Zeitungstitel zu nutzen.

Die mögliche Bandbreite der Vorgehensweisen der Verlage und damit deren eigene Entscheidungskompetenz zeigt sich dabei insbesondere bei den Parteien CDU und LDPD, von denen erstere ihr Zentralorgan Neue Zeit weitestgehend unter völliger Vernachlässigung der Regionalzeitungen förderte, während die LDPD umgekehrt ihre Regionalzeitungen im ersten Jahrzehnt sogar deutlich zu Lasten ihres Zentralorgans aufbaute.

Zusammenfassung

Während pressestatistische Daten für die sowjetische Besatzungszeit von 1945 bis 1949 weitestgehend und für die ersten drei Jahre nach Gründung der DDR für die parteiunabhängigen Medien weiterhin nur bruchstückhaft übermittelt sind, können für die Zeit nach dem Beginn der 1950er Jahre pressestatistische Angaben zu den Auflagen der DDR-Zeitungen und ihren verlegerischen Strukturen weitgehend lückenlos erhoben werden. Gut rekonstruierbar ist damit insbesondere jene zentrale Phase der DDR-Pressegeschichte, die sich durch weitgehende Stabilität auszeichnete: Lückenhaft bleibt dagegen insbesondere die Zeit der sowjetischen Besatzungsherrschaft, als die Presseentwicklung Ostdeutschlands durch eine nur bedingt straff nach kommunistischen Vorgaben durchorganisierte Presselenkung geprägt war, die – statistisch bislang unzureichend erschlossen – privates Zeitungseigentum genauso zuließ wie ein Weiteragieren traditioneller Zeitungsverleger und in der wegen des Fehlens einer zentralen staatlichen Verantwortungsebene eine zentrale Datenüberlieferung weitgehend ausgeschlossen war.

Wie die pressestatistischen Daten belegen, bedeuteten erst die Jahre 1952/53 für die ostdeutsche Tagespresse pressestatistisch eine weitgehende Stabilisierung und damit das Ende der Nachkriegszeit. Zuvor hatte sich in der DDR der Sozialismus und zugleich auch die staatlichen Strukturen gefestigt: Die "antifaschistisch-demokratisch" genannte gesellschaftliche Übergangsperiode war beendet worden, als nächste gesellschaftliche Phase wurde auf der zweiten Parteikonferenz der SED im Juli 1952 offiziell der "Aufbau des Sozialismus" verkündet, was den Beginn des Umbaus der DDR in eine nach dem marxistisch-leninistischen Strukturprinzip funktionierende sozialistische staatliche Ordnung des "demokratischen Zentralismus" markierte. Als im Jahr 1952 zudem im Zuge der neuen staatlichen Zentralisierung die ehemaligen Länder aufgelöst und als regionale Gliederung Bezirke eingerichtet wurden, was "die letzten Reste" von Föderalismus und Selbstverwaltung beseitigte, ging dies auf der Ebene der Presse mit der Umwandlung der SED-eigenen Landeszeitungen in Bezirkszeitungen einher, was zu einer "einschneidende[n] Veränderung im Pressewesen" führte.

Indem die SED ihren Medien 1952/53 jene verlegerisch-ökonomische Struktur gegeben hatte, die sich weitestgehend bis 1989 erhalten sollte, war der Neuaufbau ihrer Presse weitgehend abgeschlossen; die Presse hatte "ihre endgültige organisatorische Form gefunden". Zugleich hatten auch die Blockpartei-Verlage ihr letztendliches Aussehen angenommen: Im Februar 1953 erschien mit den Norddeutschen Neuesten Nachrichten – nach Auflösung der Länder für das Gebiet Mecklenburg-Vorpommerns – die letzte Landeszeitung der NDPD, nachdem die anderen Parteien sich bereits allerorten etabliert hatten. Im April 1953 wurde schließlich auch der letzte Rest der unmittelbaren Nachkriegspresse beerdigt, der von privaten Eigentümern getragene Berliner Nacht-Express. Im Bereich der Tagespresse waren die verlegerischen Strukturen damit weitgehend vollendet. "Die Herausgeberschaft, die Erscheinungsweise und die regionale Differenzierung der Blätter haben sich seither nur unwesentlich verändert." Die pressestatistischen Daten belegen diese bisherige Aussagen, wonach die späten 1950er Jahre sowie die 1960er, 70er und 80er Jahre – zumindest in der Grobstruktur – bei einem sich kaum noch ändernden Lenkungsapparat und einer sich als vergleichsweise unelastisch erweisenden Pressestruktur nur noch von marginalen Veränderungen geprägt waren.

Daneben belegt eine pressestatistische Auswertung der DDR-Postzeitungslisten, dass die Presse der "bürgerlichen" Parteien CDU, LDPD, NDPD anders als die Organe der bereits in der DDR-Verfassung als führend bestimmten SED in einer geringen Zahl von Landkreisen verbreitet wurden. Die Statistik dokumentiert aber auch, dass den Blockparteiverlagen zumindest vereinzelt durchaus lokale Presseaktivitäten möglichen waren.

Auch die Analyse der Auflagendaten des DDR-Presseamtes bestätigt den Befund, dass die Zeitungsverlage der Blockparteien bei ihren Entscheidungen zumindest den Spielraum hatten, ihre lokalen Zeitungsgeschäfte zulasten ihrer überregionalern Medienpräsenz zu fördern und lokale Akzente zu setzen .

Die Auflagenzahlen belegen wie nicht anders zu erwarten zudem insgesamt die absolute Dominanz der Presse der SED sowie der Massenorganisationen. Wird jedoch der Charakter der Zeitungen als Parteiblätter in Rechnung gestellt und werden als Vergleichsgröße die Mitgliedszahlen gewertet, reduziert sich diese deutliche Dominanz der SED.

Stefan Matysiak
 

 
 

(c) Matysiak Stefan Matysiak:
 
 

Grundlage

Die sowjetische Besatzungsmacht und später die DDR-Regierung vergaben Lizenzen nur an Parteien und große Organisationen. Lediglich zwischen 1946 und 1953 konnten auch private Tageszeitungen erscheinen, so die Leipziger Zeitung, Berlin am Mittag, Altenburger Nachrichten, in Weimar die Abendpost, in Potsdam die Tagespost und der Nacht-Express in Berlin. Der Express-Verlag konnte sich dabei mit Zeitschriftentiteln wie Illustrierter Radsport-Express, Der Sammler-Express oder Der Kleingärtner und Siedler zu einem differenzierteren größeren Verlag entwickeln. Auch die liberaldemokratischen Parteizeitungen Norddeutsche Zeitung oder Der Morgen hatten anfangs private Lizenzinhaber. Die privaten Zeitungen wurden jedoch bis spätestens Anfang der 1950er Jahre geschlossen bzw. die Lizenzen auf die ostdeutschen Parteien übertragen.

Die Lizenzen waren bis zum Zusammenbruch der DDR nötig, um einen Titel publizieren zu dürfen. Die Anzahl der Tageszeitungen der DDR blieb dadurch während der vierzig Jahre nahezu konstant. Auch in der DDR wurde in der Verfassung die formelle Pressefreiheit verankert. Jedoch gab es durch Verordnungen, Bestimmungen und Kontrollen der Behörden zahlreiche Einschränkungen, so dass von einer Pressefreiheit, wie westliche Demokratien sie kennen, nichts mehr übrig war. Ein Pressegesetz gab es nicht. Auch von einer Informationsfreiheit kann man nicht sprechen.

Vertrieben wurden die Titel ausschließlich über den Postweg, so konnte der Staat am besten seine Kontrolle ausüben. Kontrolliert wurden die Massenmedien durch den Staatsapparat, oberste Behörde war hierfür die Abteilung Agitation und Propaganda des Zentralkomitees der SED.

Genehmigte, aber trotzdem nicht gern gesehene Publikationen hatten durch Restriktionen oft Rohstoffmangel, um ihre Titel drucken und veröffentlichen zu können. Die Tageszeitung mit der höchsten Auflage war die Junge Welt der FDJ (1989 circa 1,3 Millionen Exemplare), vor Neues Deutschland (1989 knapp eine Million Exemplare), dem Zentralorgan der SED. 1989 gab es in der DDR noch 39 Tageszeitungen, davon 30 Regionalzeitungen. Ihre Gesamtauflage betrug um die 9,7 Millionen Exemplare. Die SED selbst gab 15 Bezirkszeitungen heraus, diese wurden nach der Wiedervereinigung an westdeutsche Verlage, durch die Treuhand, verkauft. Zu den Printmedien der DDR gehörten außerdem 30 Wochenzeitungen und Illustrierte, darunter Fernseh-, Familien-, Frauen- und Modezeitschriften (insgesamt circa neun Millionen Exemplare); nicht zu vergessen die sehr beliebte und noch heute viel zitierte Satirezeitschrift Eulenspiegel.

Steuerung der Inhalte der Medien

Gegenstände und Schwerpunkte der Berichterstattung der Medien wurden zentral vorgegeben. Diese zentrale Vorgabe erfolgte durch das Politbüro des Zentralkomitees (ZK). Dem ZK-Sekretär für Agitation und Propaganda war unter anderem die Abteilung Agitation unterstellt, die für die Organisation und Lenkung der Massenmedien verantwortlich war. Instrumente der Steuerung waren tägliche Konferenzen in Berlin, Konferenzschaltungen zu den übrigen SED-Zeitungen und Presseanweisungen. Ein weiteres Instrument waren die „Anleitungen“ des Presseamtes der DDR-Regierung.

Auf lokaler Ebene erfolgte dieser Prozess über die staatlichen „Ämter für Information“, die ebenfalls „Anleitungen“ gemäß der Ost-Berliner Vorgaben erließen. Auch über die Parteizentralen wurde eine indirekte Zensur durch die Vorgabe von den Redaktionen täglich über Fernschreiber zugestellten Pflichtthemen, Kommentarargumenten, Schlagzeilenformulierungen und „Sollplänen“ ausgeübt. Unter Redakteuren der Provinzzeitungen herrschte deshalb das geflügelte Wort: „Meine Meinung kommt um zwei Uhr aus Berlin!“

Matysiak, Stefan: .Stefan Matysiak