Stefan Matysiak (Hg.):

Von braunen Wurzeln und großer Einfalt

Südniedersächsische Medien in Geschichte und Gegenwart

3. Auflage, Norderstedt 2018 (BoD), 284 Seiten, 21,90 Euro (eBook 11,99 Euro), 
ISBN 978-3-7528-1576-4 

Inhalte zum Klicken:

››› Traditionelle Freundschaft: das rechtsextreme und
    das rechtsradikale Göttinger Tageblatt
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››› Traditionelle Feindschaft: das Göttinger
   Tageblatt und SPD, Linke, Grüne
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››› Traditionell chancenlos: Göttinger Alternativ-
    medien
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››› Unkritisch und voller Qualitätsmängel: die
    heutige Presse Südniedersachsens
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››› Traditionell medienfeindlich: die Universität
    Göttingen
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››› Städteregister
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››› Medienregister
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››› Rezension


››› Traditionelle Freundschaft: das rechtsextreme und das rechtsradikale Göttinger Tageblatt
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Während der Weimarer Republik war das Göttinger Tageblatt nicht die einzige, aber eine der zentralen Zeitungen der Universitätsstadt. Als das Blatt bald nach dem Kriegsende 1918 in demokratiefeindliches und antisemitisches Fahrwasser gesteuert war, führte dies zunächst zu einer Halbierung der Leserzahlen. Das GT blieb jedoch politisch standhaft und behielt seine rechtsextreme, völkische Gesinnung bei. Seit den frühen 1920er Jahen forderte das Tageblatt von der NSDAP unverhohlen einen Putsch, um die ungeliebte Demokratie zu beseitigen. Dieses Ziel sollte das GT 1933 erreicht sehen. Als Adolf Hitler die Macht übernahm, rühmte sich das Blatt, Göttingen zur Hochburg des Nationalsozialismus gemacht zu haben.
    Den NS-Staat durchlebte das Tageblatt mit großem wirtschaftlichen Erfolg. Es profitierte von seinen engen Beziehungen zum Nationalsozialismus, indem es einen demokratischen Konkurrenten schlucken und weiter wachsen durfte. Auch Zwangsarbeiter schufteten für den Verlag.
Das GT musste erst dann seine Zeitungsdruckerei stilllegen, als in Deutschland in Folge der sich abzeichenden Niederlage tausende Betriebe aus „kriegswirtschaftlichen Gründen“ geschlossen wurden. Dabei verlor auch der Verlag des GTs das Recht, eine Zeitung zu verlegen. Er erhielt aber eine großzügige Kompensation.
    Nach dem verlorenen Krieg wurde das GT wegen seiner NS-Belastung zunächst verboten, musste jedoch nach Gewährung der allgemeinen Pressefreiheit wieder zugelassen werden.
    Einen wirklichen Neuanfang machte das Tageblatt nicht: Es unterstützte weiter rechtsradikale Elemente, äußerte sich etwa positiv über wegen Volksverhetzung verurteilte Wehrmachtsgeneräle oder feierte rechtsradikale Schläger, die auf demokratische Studenten einprügelten. Veteranentreffen von SS-Divisionen wurden verteidigt, und auch der Antisemitismus feierte eine deutliche Urständ – Der Abschied von der braunen Gedankenwelt zog sich Jahrzehnte hin (siehe zweites, drittes und viertes Kapitel).

››› Traditionelle Feindschaft: das Göttinger Tageblatt  und die SPD
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Da traditionell von rechtsextremer Gesinnung, fand das Göttinger Tageblatt in der SPD seinen Lieblingsgegner. Schon während der Weimarer Republik wurde gegen die SPD und deren lokale Tageszeitung Volksblatt gehetzt. 1933 wurde das Verbot der Partei bejubelt. Während des Krieges bekam das GT auch noch die vormals sozialdemokratische Buchdruckerei geschenkt.
    Nach dem verlorenen Krieg wurde einerseit das GT verboten, andererseits bekam die SPD im Zuge des demokratischen Neuaufbaus von der britischen Besatzungsmacht eine eigene Zeitung übertragen, im Raum Göttingen die Göttinger Presse
    Nachdem das Göttinger Tageblatt 1949 wieder erscheinen durfte, setzte es seine Ausfälle gegen die SPD und deren Presse fort. Das GT bekämpfte etwa vor Landtagswahlen den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten nach Kräften, indem es massiv zur Abwahl der niedersächsischen Landesregierung aufrief.


Gegen die SPD gerichtete Schlagzeile des GTs, 1955

Und auch in jüngerer Zeit setzte sich diese politische Linie fort. Bei den Bundestagswahlen des Jahres 1998 bevorzugte das GT ebenso die CDU wie bei den niedersächsischen Landtagswahlen der Jahre 1998 und 2008 und bekämpfte die SPD. Für die Landtagswahl 2008 ließ sich nachweisen, dass auch die Mündener Allgemeine die SPD benachteiligte. 
    Auch auf kommunaler Ebene folgte das GT einer deutlich konservativen Agenda. Während das Tageblatt hier wegen deren Amtsbonus an der SPD nicht vorbei kam, diskriminierte es vor allem die Grünen und die Linke, förderte dagegen deutlich insbesondere die FDP (siehe zweites bis fünftes Kapitel).

››› Traditionell chancenlos: Göttinger Alternativmedien
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Nachdem das GT in Göttingen das Meinungsmonopol erlangt und gleichzeitig in alternativen wie linken Kreisen das bürgerschaftliche Engagement wuchs, stieg wegen der einseitigen Berichterstattung des Tageblatts der Bedarf nach alternativen Medien. Seit den 1970er Jahren versuchten deshalb kritische Geister wiederholt, eine ergänzende Presse zu etablieren. Sie sollte die vom Bundesverfassungsgericht verlangten breiten gesellschaftlichen Aufgaben übernehmen: Das oberste Gericht hatte die Medien verpflichtet, umfassend alle jene Auffassungen widerzuspiegeln, die in Politik, Staat und Bevölkerung existieren. Ziel der Presse ist es danach, zu einer profunden Diskussion und Meinungsbildung beizutragen, indem auch über Minderheitenmeinungen berichtet wird.
    Trotz ihrer gesellschaftlich wichtigen Funktion blieben die nur ehrenamtlich produzierten alternativen Zeitungen und Zeitschriften wegen der zu geringen Einnahmen und zu geringer Professionalität eine Randerscheinung oder starben nach wenigen Jahren. Die Göttinger Wochenzeitung, die 2006 einen professionellen Ansatz wählte, um dem Tageblatt Konkurrenz machen, scheiterte an einem für die geringe Nachfrage zu teuren redaktionellen Apparat bzw. zu geringen Anzeigenerlösen.
    Einziger weit vernehmbarer Lichtblick im lokalen Einerlei der Medien ist heute der Rundfunk. Nachdem Anfang der 1980er Jahre die Gründung des Göttinger Piratensender Radio Pflasterstein noch nach wenigen Wochen beendet war, konnte sich nach 1997 mit dem StadtRadio Göttingen eine Plattfom etablieren, die auf lokaler Ebene das einseitige GT ergänzte (siehe fünftes und achtes Kapitel).

››› Unkritisch und voller Qualitätsmängel: die heutige Presse Südniedersachsens
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Die Tagespresse aus Göttingen, Hann. Münden und Northeim ist unkritisch und qualitativ eher mangelhaft.  Die Zeitungen drucken zu einem großen Teil nicht hinterfragte PR ab. Die Tätigkeit von Universität und Theatern wird nicht – wie es die Aufgabe wäre – kritisiert, sondern unkritisch verbreitet. Anzeigenkunden bekommen eine positive Berichterstattung geschenkt. Qualitätskriterien wie Quellenvielfalt und –transparenz werden nicht beachtet, Alternativen nicht aufgezeigt. Noch schlechter stehen Anzeigenblätter aus Göttingen, Duderstadt und Northeim da, die selbst rechtlich vorgegebene Qualitätskriterien ignorieren (vgl. sechstes und siebtes Kapitel).

››› Traditionell medienfeindlich: die Universität Göttingen
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Als traditionell medienfendlich erwies sich die Universität Göttingen. Zwar begann hier Ende des 18. Jahrhundert die wissenschaftliche Erforschung der Presse, den ersten Anfängen folgte jedoch keine Fortsetzung. Die Zeitungswissenschaft, die sich an deutschen Universitäten ab Ende des 19. Jahrhunderts etablierte, ging an der Georgia Augusta vobei. Als Göttingen nach 1945 für zwei Jahrzehnte zur wichtigste deutschn Filmstadt wurde und die Filmindustrie nach einer universitären Behandlung des Kinos und einer Film- und Schauspielausbildung verlangte, verweigerte sich die Uni. In den 1960er Jahren bekam die Georgia Augusta nur zufällig eine medienwissenschaftliche Abteilung. Das ungeliebte Kind wurde 2010 endgültig abgewickelt, obwohl der Studiengang die mit Abstand höchsten Bewerberzahlen aufwies und die niedrigstn Kosten verursachte (erstes Kapitel).

››› Städte aus dem Buch
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Bad Gandersheim, Bad Lauterberg, Bad Sachsa, Duderstadt, Einbeck, Göttingen, Hamburg, Hann. Münden, Hannover, Herzberg, Holzminden, Kassel, Northeim, Osterode, Uslar u.a.m.

››› Medien aus dem Buch
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Gandersheimer Kreisblatt, Bad Sachsaer Nachrichten, Bad Lauterberger Tageblatt, Eichsfelder Tageblatt, Hallo Sonntag im Eichsfeld, Südhannoversche Volkszeitung, Eichsfelder Post, Einbecker Morgenpost, Antenne Niedersachsen, ffn, Blick, Extra Tip, Göttinger Presse, Göttinger Allgemeine, Göttinger Mitteilungsblatt, Göttinger Nachrichten, Göttinger Tageblatt, Göttinger Wochenzeitung, Göttinger Zeitung, NDR, Niedersächsische Morgenpost, StadtRadio Göttingen, Niedersächsische Tageszeitung, Radio Pflasterstein, Volksblatt, Mündener Allgemeine, Mündensche Nachrichten, Täglicher Anzeiger, Northeimer Neueste Nachrichten, Harz-Kurier, Sollinger Allgemeine, Hallo Sonntag u.a.m.


››› Rezension

Aus: Südniedersachsen. Zeitschrift für Regionale Forschung und Heimatforschung, 43. Jahrgang, Nr. 2/August 2015, Seite 75-76.
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Weitere Rezension von Rolf Kohlfeld, Archiv-Nachrichten Niedersachsen. Mitteilungen aus niedersächsischen Archiven Nr. 19/2015, S. 77-78.


Klappentext
Unter den Zeitungen Südniedersachsens gab es einst stramm nationalsozialistische Vorkämpfer und Profiteure, aber auch Opfer der NS-Pressepolitik. Entsprechend konfliktreich war nach dem Weltkrieg der pressepolitische Neuanfang. Zwar entstanden nach 1945 neue, unbelastete Zeitungen. Doch viele alte belastete (und heute angesehene) Blätter bewahrten ihre starke Stellung. Sie benötigten allerdings lange Jahrzehnte, um in der Demokratie anzukommen.
     Heute ist die Medienlandschaft Südniedersachsens eintönig. Monopole kennzeichnen das Pressewesen. Die Qualität der Zeitungen ist gering. Alternativen Ressourcen. Die meisten Radiosender geben der regionale Berichterstattung keine nennenswerten Impulse.
     Mit 45 Abbildungen, 3 Karten und 46 Tabellen.

Inhaltsverzeichnis
Einführung: Medien und Medienwissenschaft in Göttingen 
Braune Saat. Presse in der Weimarer Republik 
Endlich am Ziel. Presse im Nationalsozialismus 
Weiter so? Neu- und Wiederbeginn der Presse nach dem Krieg
Mit spitzem Ellenbogen. Von der Pressevielfalt zum Monopol
Hauptsache, es kauft jemand. Qualität und Inhalte der Tagespresse
Ist ja nur geschenkt. Die publizistische Leistungsfähigkeit der Anzeigenblätter
Heimat für die Ohren. Südniedersachsen im Radio
Literatur
Abkürzungen
Register
 
 
Erratum 1. Auflage

Auf Seite 18 der ersten Auflage ist das Gründungsdatum des Göttinger Volksblatts falsch angegeben. Die Zeitung erschien erstmals am 19. September 1919, nicht am 19. Oktober.

Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.


 

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(c) Stefan Matysiak, Stefan