Die
Debatte über Nutzungsgebühren für Studierende
Die deutschen Hochschulen,
so die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), stehen im Zeichen eines Paradigmenwechsel,
der sich in einer weitgehenden Ökonomisierung des wissenschaftlichen
Betriebes äußere. Diese Ökonomisierung führe „zu einer
stärker wettbewerbs- und ergebnisorientierten Hochschulsteuerung mit
Zielvereinbarungen, Hochschulverträgen und flexibilisierten Hochschulhaushalten“.
Hintergrund dieses Paradigmenwechsels ist die Auffassung, „dass Hochschulen,
die von ihrer durchschnittlichen Größe her mittleren Wirtschaftsunternehmen
entsprechen, nach dem zentralistisch-bürokratischen Modell nicht effektiv
und effizient gesteuert werden können“ (HRK 2003). Die Ökonomisierung
des Blicks auf die Hochschulen, die in diesem Zuge an Anforderungen ausgerichtet
werden, wie sie an Wirtschaftsunternehmen gestellt werden, geht mit einer
zunehmenden Akzeptanz von Studiengebühren einher.
Studiengebühren sollen
dabei einerseits als marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument wirken
und „in einem zunehmend marktorientierten System“ die Rolle von Preisen
übernehmen, um die Hochschulen zu einem „bedarfsgerechten und innovativen
[…] qualitativen Wettbewerb“ zu veranlassen (ebd.). Andererseits müssen
als zentrales Argument für eine Finanzierung der Hochschulen durch
Studiengebühren auch soziale Komponenten herhalten wie „die Beseitigung
von Verteilungsungerechtigkeiten“. Eine solche „soziale Verzerrung“ (Landfried
2002a) sei etwa eingetreten, indem „das gebührenfreie Studium von
heute eine Umverteilung in die falsche Richtung bewirkt“: Das Studium nutze
durch „einen uneinholbaren Einkommensvorsprung gegenüber anderen Qualifikationen“
allein den Hochschulabsolventen, werde aber „in erster Linie durch die
steuerlichen Abgaben von Nicht-Akademikern“ finanziert (HRK 2003).
Daneben sollen Studiengebühren
den Hochschulen aber vor allem als Einnahme dienen, um den Akademikernachwuchs
sicher zu stellen und einen Beitrag zum Ausbau der Universitäten zu
leisten: „In Zeiten knapper öffentlicher Kassen wird dies ohne private
Einnahmen kaum möglich sein“ (ebd.). Die Professorenschaft hat bei
ihren Forderungen nach einer Ko-Finanzierung der Hochschulen durch Studiengebühren
„vor allem die Steigerung der Qualität der Lehre im Interesse der
Studierenden im Blickfeld“ (Landfried 2002a). Wenn die Studiengebühren
„den Hochschulen zur eigenständigen Verfügung verbleiben,“ so
eine frühe Hoffnung der Befürworter von Studiengebühren,
„werden damit erhebliche Spielräume für eine bessere Ausstattung
der Hochschule im Bereich der Lehre, für die Überbrückung
personeller Engpässe, für die Anschaffung von Literatur etc.
geschaffen, sofern die Länder ihre Hochschulfinanzierung nicht vermindern“
(Uni Stuttgart 1995).
Studiengebühren erhalten
auf diese Weise den Stellenwert einer gesellschaftlich gerechten Finanzierungsform
für die finanziell ausgebluteten und auf neue Finanzquellen angewiesenen
Hochschulen zugewiesen. Sie gelten als legitimes Finanzierungsinstrument
in einer neuerdings durch eine Verwirtschaftlichung geprägten Bildungsdiskussion.
Die
Privatisierung der Hochschulressourcen durch die Professoren
Die Debatte über diese
Ökonomisierung der Hochschulen (siehe Landfried 2002b) übersieht
allerdings, dass die Hochschulen bereits seit Jahrzehnten ökonomischen
Zwecken dienen, denn „die deutschen Hochschulen sind schon lange keine
marktfreien Räume mehr“ (Uchatius 1999: 71). Der „Lebenszweck der
Universität: die zweckfreie Suche nach Erkenntnis“ (Limbach 2001)
ist in Deutschland seit Jahren eine Zwecklüge. Bereits anfangs der
70er Jahre stellte das Bundesverfassungsgericht ein „Spannungsverhältnis
zwischen der Universität als ‚Stätte der reinen und zweckfreien
Wissenschaft‘ und den Ansprüchen einer zunehmend technologisch organisierten
Industriegesellschaft sowie der erschwerten Studiensituation in der modernen
Massenuniversität“ fest (ebd.). In diesem Spannungsverhältnis
sah sich zwar die höchste deutsche Gerichtsbarkeit gefangen, nicht
jedoch die Professorenschaft. Jenseits des vom Verfassungsgericht erkannten
Spannungsverhältnisses hatten die zentralen Akteure längst mit
einer Umverteilung der ihnen anvertrauten staatlichen Ressourcen begonnen:
Die an die Hochschulen strömenden Gelder wurden zu einem Teil für
die Lehre verwendet, zu einem großen Teil aber im Rahmen der Freiheit
von Forschung und Lehre (Art. 5 Grundgesetz) durch die Professorenschaft
zu privaten Erwerbszwecken genutzt und dadurch dem Hochschulsystem entzogen.
Hintergrund der Privatisierung
der universitären Ressourcen ist jener aus der Freiheit von Lehre
und Forschung abgeleitete Status, der den Hochschullehrern große
Freiräume bietet: „Hochschullehrer haben eine sehr große Autonomie
bei gleichzeitig sehr geringen Kontrollen, d.h. sie können diese Freiräume
individuell gestalten. Sie können die Erfüllung ihrer Pflichten
auf ein Mindestmaß reduzieren, ohne daß dies zu Einkommenseinbußen
führt. Sie können diesen Freiraum zum ‚Faulenzen‘ nutzen, oder
in dieser Zeit ihr Gehalt durch Nebentätigkeiten vervielfachen“ (Caspari
2000: 4).
Diese Nebentätigkeiten
- das privatwirtschaftliche Agieren neben den eigentlichen Lehr- und Forschungsverpflichtungen
- binden jedoch bei einem Teil der Professoren jene Ressourcen, die eigentlich
für die Lehre bestimmt sind. Die einzigen die diese Nebentätigkeit
bislang regelmäßig thematisierten, die Medien, stellen dazu
etwa fest, dass „sich die Einkünfte von Professoren oft um ein Vielfaches
[unterscheiden] - allerdings nicht durch das staatliche Gehalt, sondern
auf Grund von Nebentätigkeiten, die oft zu Lasten des Lehrauftrags
gehen“ (Mohr 1999: 115). Die neben dem Beamtensalär zu erzielenden
Einkünfte sind teilweise lukrativer als die Gehaltsstufen C3 oder
C4. Psychologen kommen an den Universitäten auf Jahresumsätze
von mehreren Millionen (vgl. Sieber 1999), an den Fakultäten für
Medizin sind „Jahreseinkommen bis zu zehn Millionen Mark keine Seltenheit“
(Frank-Ulrich Montgomery, zit. n. Lizenz zum Gelddrucken 1994: 92). Biologen
haben Geschäftsführerposten in der freien Wirtschaft inne (vgl.
Uchatius 1999: 71), Sozialwissenschaftler erzielen Zusatzeinkommen aus
Aktivitäten in wissenschaftlichen Kommissionen oder durch Beratungstätigkeiten.
Naturwissenschaftler kassieren „mehrere zehntausend Mark für ein Gutachten.
[…] Volkswirte beraten Interessenverbände der Industrie, Architekten
wickeln Bauvorhaben ab - alles hoch bezahlte Jobs“ (Mohr 1999: 115). Selbst
die auswärtige Vortragstätigkeit von Germanisten wird zusätzlich
zum Beamteneinkommen mit jeweils einigen Tausend Euro honoriert.
Was als Nebentätigkeit
deklariert ist, nimmt dabei einen großen Teil der Lehr- und Forschungszeit
in Anspruch: „Der Terminus ist allerdings verniedlichend. Viele Nebentätigkeiten
sind Haupttätigkeiten. […] Die universitäre Tätigkeit schmilzt
dann auf ein Minimum“ (Priddat 1998: 378). Diese Nebentätigkeiten
sind bei vielen Professoren zur zentralen Beschäftigung geworden,
weshalb seit langem an den Fachhochschulen der größte Teil der
Drittmittelforschung durch Nebentätigkeiten erfolgt (vgl. HRK 1993)
und damit auf eigene Rechnung der Professoren. Ohne die Erlaubnis zu einer
solchen lukrativen Forschungsfreiheit sind die Professorenstellen nicht
einmal mehr ausreichend zu besetzen: An den Fachhochschulen dient die Genehmigung,
Nebentätigkeiten ausüben zu können, „auch der Wettbewerbsfähigkeit
der Fachhochschulen bei der Gewinnung qualifizierten Personals“ (ebd.).
In einzelnen Fachbereichen
findet zugunsten dieser Nebentätigkeiten überhaupt keine reguläre
wissenschaftliche Forschung mehr statt. So nahm „der Ausschuss für
Haushalt und Finanzen […] davon Kenntnis, dass die Entwurfs-Institute der
Architekturfachbereiche zweier Universitäten keine Forschung im Rahmen
ihrer dienstlichen Aufgaben durchführen, sondern die Nebentätigkeit
in den privaten Architekturbüros der Hochschullehrer als ‚Forschung‘
ansehen“ (Niedersächsischer Landtagsausschuss für Haushalt und
Finanzen 2000: 13).
Diese privaten Zuverdienste
erfolgen dabei jedoch nicht nur während der staatlich bezahlten Arbeitszeit,
sondern auch mit den staatlich zur Verfügung gestellten Ressourcen,
wie Kommunikationsmittel, Laboreinrichtungen, wissenschaftliche Mitarbeiter.
„Weil Professoren, die es gar nicht nötig haben, den Hals nicht voll
bekommen, beauftragen sie für ihre Nebenjobs sogar ihre Sekretärinnen
mit Schreibarbeiten“ (Peter Grottian, zit. n. Reiz 1998).
Für die privatwirtschaftliche
Nutzung der vom Staat zur Verfügung gestellten universitären
Ressourcen haben die Professoren nach den Nebentätigkeitsverordnungen
der Länder eine Nutzungsgebühr an die Universitäten abzuführen.
Die niedersächsische Hochschulnebentätigkeitsverordnung sieht
etwa eine Nutzungspauschale von 15 Prozent des Umsatzes für die Inanspruchnahme
von staatlichem Personal sowie von 7,5 Prozent für die Nutzung von
Einrichtungen und Material der Universitäten vor (§ 10, HNtVO),
an den Medizinfachbereichen sind 20 Prozent abzuführen (§ 3,
HNutzVO-Med), was jedoch auch höher oder niedriger angesetzt werden
kann.
Für die Professoren
bedeutet dieser Satz, dass lediglich rund 20 Prozent des Umsatzes als Unkosten
anfallen, der Rest sind Gewinne. Die nebenberuflich erwirtschaftete Umsatzrendite
liegt mithin bei 80 Prozent. „In der Regel muss ein Hochschulprofessor
von seinen am Markt erzielten Einkünften gerade einmal 15 % für
Material, Personal und Geräte an die Hochschule abführen, der
Rest wandert direkt als Unternehmerlohn in seine Tasche“ (Sven Deeg, Deutscher
Verband unabhängiger Prüflaboratorien, zit. n. Lembach 1998).
Bei frei am Markt aktiven Unternehmen (die also nicht an die Universität
angebunden sind) liegt der Anteil der Unkosten hingegen bei rund 90 Prozent,
weshalb diese Unternehmen angesichts der vom Staat subventionierten professoralen
Konkurrenz nur noch sehr eingeschränkt konkurrenzfähig sind.
Angesichts der niedrigen
Unkosten agieren Professoren auf dem Markt mit Dumpingpreisen. „Die Unlauterkeit
liegt […] darin, daß öffentliche Mittel entgegen ihrer Zweckbestimmung
dazu verwendet werden, die Preise der Gewerbetreibenden zu unterbieten“
(NRW-Wirtschaftsministerium, zit. n. Lembach 1998). So entstehen einerseits
aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive hohe volkswirtschaftliche Schäden
durch unlauteren Wettbewerb sowie zusätzlich eine Schädigung
der Wettbewerbsordnung (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof, 2.5.2000).
Andererseits entstehen durch die professoralen Nebentätigkeiten jedoch
auch für die Universitäten große finanzielle Verluste.
Allein der Verband der unabhängigen Prüflaboratorien schätzt
den für die Universitätsinstitute in dem Wirtschaftsbereich Laborleistungen
entstehenden Schaden „auf einen dreistelligen Millionenbetrag“ (Auskunft
Sven Deeg, Deutscher Verband unabhängiger Prüflaboratorien, 18.4.2000).
Zu solchen Schäden kommt es auch, wenn Professoren in privater Nebentätigkeit
Forschungsprojekte für Dritte bearbeiten. „Häufig aber fließt
bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen substanzielles, in der Hochschule
über viele Jahre mit staatlichen Mitteln erarbeitetes Wissen an ein
einziges Unternehmen, das vertraglich die Nutzungsrechte erwirbt (und die
Erfindervergütung übernimmt)“ (HRK 1997b). Eine Gesamtübersicht
über die Verluste ist gleichwohl nicht einmal den Landesrechnungshöfen
möglich (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof, 2.5.2000), sie dürften
jedoch Milliardenhöhe erreichen.
Bereits die bei Nebentätigkeiten
regulär abzuführenden Nutzungsgebühren bedeuten für
die Hochschulen hohe finanzielle Verluste, da lediglich ein geringer Teil
der entstehenden Unkosten von den Professoren beglichen wird. Doch selbst
diese geringen Nutzungsgebühren werden von den Universitäten
nur im Einzelfall wirklich auch erhoben. „Der Eifer der Hochschulen, diese
Nutzungsgebühren einzutreiben, ist nach unseren Prüfungserfahrungen
recht gering“ (Auskunft Nieders. Landesrechnungshofes, 2.5.2000). Klagen
über die unzureichende Festsetzung der Nutzungsgebühren durch
die Universitäten finden sich deshalb regelmäßig: „Der
Ausschuss für Haushalt und Finanzen missbilligt die im Verwaltungsbereich
der Tierärztlichen Hochschule aufgetretenen Bearbeitungsmängel,
die zur unzureichenden Festsetzung von Nutzungsentgelt und damit zu einem
Schaden des Landes geführt haben“ (Niedersächsischer Landtagsausschuss
für Haushalt und Finanzen 2000: 3). Bei einem großen Teil ihrer
Nebengeschäfte fallen für die Professoren auf diese Weise überhaupt
keine Kosten an. „‘Freiheit der Lehre und Forschung‘ bedeutet im Klartext:
Freiheit von Miet-, Kommunikations-, Einrichtungs- und Personalkosten“
(Sieber 1999).
Hintergrund der unzureichenden
Beteiligung der Universitäten an den Erträgen der Professoren
ist seit langem die Konkurrenz der Hochschulen untereinander. Die Universitäten
haben Angst, nebentätige Professoren bei einer realistischen Festsetzung
der Unkosten an andere Hochschulen zu verlieren (Auskunft Nieders. Landesrechnungshof,
2.5.2000). Zudem erfolgt die Kontrolle der Nebentätigkeiten ausgerechnet
durch diejenigen, die diesen Nebentätigkeiten nachgehen: Die Selbstkontrolle
der Professoren verhindert ein effektives Eintreiben der Unkostenbeteiligungen.
Angesichts dieser Selbstkontrolle
bleiben auch Vorschläge aus der Professorenschaft selbst chancenlos,
wie der von Priddat (1998), der die finanzielle Lage der Hochschulen durch
Nutzungsgebühren für das Führen des akademischen Titels
verbessern wollte: „Um Professoren wie in Amerika darin zu unterstützen,
daß sie ihr Wissen ‚für die Gesellschaft‘ einsetzen, und um
gleichzeitig die Universität davon profitieren zu lassen, könnte
folgende Idee helfen: Wer seinen Professorentitel für private, gewerbliche
Erwerbseinkommenserzeugung verwendet, zahlt an den Vergeber des Titels
- also an die Universität - eine Nutzungsgebühr“ (Priddat 1998:
379).
Die
Tabuisierung von Nutzungsgebühren für die Professoren
Dass „die Privatisierung
des Wissens in Form professoraler Erwerbstätigkeit […] eine dem Konzept
der Hochschule konträre Idee“ ist (Priddat 1998: 378), ist in den
vergangenen Jahrzehnten an den Universitäten weitgehend ignoriert
worden. Professoren und Studierende wehren sich zwar gemeinsam gegen eine
Ökonomisierung der Hochschulen, da die „angestrebte Orientierung wissenschaftlicher
Lehre und Forschung an marktwirtschaftlicher Verwertbarkeit […] u.a. eine
gefährliche Privatisierung des Wissens [zeitigt], womit die Verfügung
über Forschungsergebnisse und die damit einhergehende gesellschaftliche
Verantwortung den Käufern, also den Konzernen obliegt“ (Fachschaft
Sozialwissenschaften 2000). Anders als die zukünftig angetrebte wird
die bereits bestehende marktwirtschaftliche Verwertung und Privatisierung
des Wissens jedoch von keiner Seite thematisiert.
Die entscheidende Frage
ist: „Wir reden über Studiengebühren; warum nicht auch über
Forschungsgebühren für gewerbliche beziehungsweise marktorientierte
Forschung?“ (Priddat 1998: 378)
Die universitäre Reformdebatte
leidet in diesem Fall unter der Definitionsmacht der Professoren, deren
Vorstellungen von Finanzautonomie und wirtschaftlicher Nutzung der Hochschulressourcen
allein die Diskussion prägen. Private Nebentätigkeit und Forschung
aus öffentlichem Interesse werden, um die Beschneidung der privatwirtschaftlichen
Freiheiten und damit der professoralen Autonomie abzuwehren, gleichgesetzt.
Die private Nebentätigkeit wird dabei zum öffentlichen Vorteil
gewendet, gleichzeitig werden die finanziellen Aspekte ausgeblendet. „Natürlich
würden diese Professoren darauf verweisen, daß sie forschen.
Aber sie tun es für Geld, außerhalb ihres Arbeitsauftrages.
Die amerikanische Idee, Professoren natürlich zu ermuntern, ‚für
die Gesellschaft‘ zu arbeiten und gut zu verdienen, aber davon gehörige
Teile (bis zu fünfundsiebzig Prozent) an die Universitäten abzuführen,
wird in der Neigung, amerikanische Universitäten als Modell für
Deutschland zu sehen, interessanterweise übersehen“ (Priddat 1998:
378).
In den zurückliegenden
Jahren war diese privatwirtschaftliche Nutzung der universitären Ressourcen
durch die Professoren nicht debattierbar. Professoren sahen die Verwendung
der Mittel als ureigenstes Recht an, das ihnen aus ihrer absoluten Verfügungsgewalt
über die Hochschulen zustand. Öffentlichkeit und Studierende
akzeptierten diese Macht. Die Folge ist, dass die Professoren trotz der
sich verschlechternden finanziellen Situation an den Hochschulen für
ihre privatwirtschaftlichen Interessen nicht weniger, sondern immer mehr
Spielraum bekommen, wie die Genese der Novelle des Hessischen Hochschulgesetzes
zeigt. Dort wurde im Regierungsentwurf die Streichung einer Passage vorgeschlagen,
wonach „Zehn vom Hundert des Entgelts für eine wissenschaftliche Nebentätigkeit
[…] an die Hochschule abzuführen“ sein sollten und „je nach Inanspruchnahme
von Personal, Sachmitteln und Einrichtungen durch die Nebentätigkeit
eine höhere Abführung“ festgelegt werden sollte. Das neue Gesetz
verlangt lediglich noch „ein angemessenes Nutzungsentgelt“ (Uni Kassel
2000).
Umverteilung
von unten nach oben
Die Gegenwart ist jedoch
von einem verstärkten Verteilungskonflikt um öffentliche Gelder
geprägt. Zwar zielt ein Teil der öffentlichen Diskussion auch
darauf ab, die Ausgabenwirksamkeit der Bildungsinvestitionen zu erhöhen.
Den Universitäten bzw. einzelnen Instituten soll jedoch im Zuge der
Universitätsreformen zugleich ein höheres Ausmaß an finanzieller
Autonomie gewährt werden (vgl. Sachverständigenrat Bildung 1998:
39). Im Machtspiel der Universitäten profitiert davon erneut die Professorenschaft,
deren Macht über die Verwendung der Hochschulgelder trotz der knapper
werdenden Mittel undiskutiert und damit unangetastet bleibt. Die Professorenschaft
profitiert davon, dass die (auch studentische) Öffentlichkeit finanzielle
Aspekte des Universitätsbetriebs nur aufzugreifen gewillt war, solange
es um eine verbesserte Mittelausstattung und nicht um die Verwendung dieser
Mittel ging.
Da sich angesichts der universitären
Machtverhältnisse auf der Ausgabenseite an der Nutzung der universitären
Mittel nichts verändern kann, wird es angesichts der ansteigenden
Finanznot notwendig, den Universitäten zum Erhalt der Leistungsfähigkeit
im Bereich Forschung, Lehre und privaten Nebenverdiensten neue und bislang
nicht genutzte Finanzquellen zu erschließen. Entsprechend der gesellschaftlichen
Machtposition, über die die Professorenschaft verfügt, führen
die finanziellen Zwänge jedoch ausdrücklich nicht zu einer effektiveren
Nutzung der universitären Ressourcen, sondern zu einer Belastung der
Schwächsten, der Studierenden, die Studiengebühren entrichten
sollen. Ein Umgang mit der Finanzkrise, der gleichzeitig auch die Professoren
belastet, ist derweil nicht möglich.
Die gesellschaftliche Macht,
über die die Professorenschaft in der Debatte der Hochschulfinanzierung
verfügt, zeigt sich in der Argumentationsweise, mit der auf der einen
Seite die Belastung der Schwächsten hergeleitet wird, andererseits
aber den Professoren große finanzielle Spielräume eröffnet
werden. Während einerseits Nutzungsgebühren durch Studierende
als notwendig erachtet werden, um die finanziellen Bedingungen an den Universitäten
zu verbessern und der Forschung und Lehre neue Mittel zuzuführen,
gerät andererseits gerade dieses Finanzargument in vollständig
aus der Sicht, wo es um jene Mittelabflüsse geht, die die Universitäten
durch die Professoren erleiden müssen. Diese im Rahmen der professoralen
Nebentätigkeiten zu verzeichnenden Mittelabflüsse werden nicht
unter finanziellen Gesichtspunkten diskutiert, sondern - wenn überhaupt
- unter dem Blickwinkel der Regionalentwicklung oder anderen übergeordneten
öffentlichen Zwecken gesellschaftlich gerechtfertigt: „Mit diesen
Nebentätigkeiten folgen die Professorinnen und Professoren aber nicht
nur ihren privaten Erwerbsinteressen. Sie dienen damit auch öffentlichen
Interessen, da sie ihre besonderen Fähigkeiten und aus der Forschung
gewonnene Erkenntnisse in den Wirtschaftsprozess einbringen und somit ihre
Arbeitsergebnisse nutzbar machen. Der Austausch ist […] von großer
Bedeutung für die Entwicklung einer Region. Aus diesen Gründen
ist die Förderung des Technologietransfers zwischen Hochschulen und
der Wirtschaft als politisches Ziel erkannt worden […]“ (Mitteilung Nieders.
Wissenschaftsministerium, 7.4.2000). Einerseits werden so die von den Professoren
zu entrichtenden Nutzungsgebühren aufgrund übergeordneter Gründe
weiterhin als illegitim betrachtet, gleichzeitig werden die ersatzweise
von den Studierenden erhobenen Nutzungsgebühren mit ebenfalls übergeordneten
Gründen legitimiert. Studiengebühren „würden für etwas
mehr Gerechtigkeit sorgen, weil diejenigen für die Uni bezahlen, die
sie wirklich benutzen“ (Oppermann 2000). Im Ergebnis entsteht an den Universitäten
ein Kapitalfluss, der von den Studierenden über die Universitäten
zu den Professoren führt – eine Umverteilung der finanziellen Mittel
an den Hochschulen von unten nach oben, von den Schwächsten zu den
Mächtigen.
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